Wenn das Kind im dritten Lebensjahr erste Vorstellungen von Dingen und Situationen aufbauen kann, sind seine Spielhandlungen nicht mehr so direkt an die vorhandenen Gegenstände geknüpft. Es kann bspw. ein der Vorstellung entsprechendes Spielzeug suchen gehen oder durch ein anderes, ähnliches ersetzen. Durch die Möglichkeit, sich Situationen vorzustellen, ist auch der Spielablauf nicht mehr von der Abfolge der einzelnen Handlungen abhängig. Szenen, welche das Kind gerne spielt, können ausgedehnt, andere wiederum verkürzt oder sogar ausgelassen werden. Ab Mitte des dritten Lebensjahres sind die symbolischen Sequenzen geplant und ihr Merkmal ist die hierarchische Struktur: an erster Stelle steht die Spielidee, welche auf der Handlungsebene je nach Lust und Situation beliebig ausdifferenziert werden kann.
Diese Szene findet ganz zu Beginn unseres gemeinsamen Spiels statt. Roberta hat die Telefone geholt, und eben habe ich sie gefragt, ob sie uns besuchen käme. Sie hält den Telefonhörer am Ohr, antwortet "ja", sagt dann "tschüss" und legt den Hörer auf die Gabel. Ich verabschiede mich auch mit "tschüss" und sage dann zum Nilpferd "oh, Niili du, die Roberta kommt zu Besuch, hat sie gesagt". Roberta hört zu und dreht dabei an der Wählscheibe rum. Ich schlüpfe mit der Hand in die Nilpferd-Handpuppe und rufe "judihuii!". Roberta steht auf, beugt sich nahe zum Tier und fragt "ich -bis echli tluulig gsii?" (bist du ein wenig traurig gewesen?). Ich antworte mit etwas weinerlicher Stimme "ja, ich musste so lange warten". Roberta schaut kurz zu mir und sagt dann mit tröstender Stimme zum Nilpferd "bis itz e de so wide da" (ich bin jetzt schon wieder da). Diese Szene zeigt in besonderer Weise einen der Höhepunkte der Entdeckung der Sprache: das Einfühlungsvermögen und die Möglichkeit, die Gefühle des Anderen durch die Sprache auszudrücken.
Remo hat einen Defekt an der Kasse festgestellt, und ich habe ihm den Vorschlag gemacht, er solle doch die Fabrik anrufen. Er hält den Hörer zum Ohr und wählt mit dem Finger. Ich nehme ein anderes Telefon ab und sage: "ja, grüezi, da ist die Fabrik von der Kasse. Was haben Sie? Gibt es ein Problem mit der Kasse?". Remo hört zu und sagt zögernd "ja". Dann schaut er auf seine Kasse und zeigt mit dem Finger immer wieder auf eine spezielle Stelle, während er erklärt: "da sött's en Chnopf ha, weisch, da da druff, da sött me chöne drucke" (da sollte es einen Knopf haben, weisst du, da drauf, da sollte man drücken können). Ich antworte "aha, ja das ist eine gute Idee, das haben wir ganz vergessen".
Diese Szene zeigt sehr schön, dass Remo zu meinem Vorschlag, die Fabrik anzurufen, eine Vorstellung aufbauen und die entsprechende Rolle als Kunde einnehmen kann.
Diese Szene zeigt das Ende des Gesprächs zwischen Remo als Kunde und mir als Kassen-Fabrik. Ich sage "also danke viel mal, ich schicke Ihnen eine, wenn wir sie fertig haben". Remo hält den Hörer am Ohr und antwortet "ja". Ich sage "gut, also auf Wiederhören", und er fügt hinzu "ja, wenn's alt is, denn denn tus-si grad i de Chübel rüere, gäll" (ja, wenn es alt ist, dann tust Du sie gerade in den Abfall werfen, gell). Ich beende das Gespräch "ist in Ordnung, ja ist gut, dann schicke ich sie Ihnen". Remo bestätigt "ja" und ich sage "hm, gut, danke, auf Wiederhören". Remo war bereits daran, den Hörer auf die Gabel zu legen, nimmt ihn aber nochmals zum Ohr und verabschiedet sich auch mit "uf Wiederhöre". Dann legt er den Hörer sorgfältig zurück auf die Gabel, während ich seufzend feststelle "ja, dann muss ich wohl eine neue Kasse machen".
Diese Szene zeigt, dass sich Remo ganz in die Rolle des Kunden vertieft und auch den Inhalt des Gesprächs erfasst hat. Nur so ist es möglich, dass er dem Gespräch von sich aus noch ein neues Element hinzufügen kann, sozusagen einen Ratschlag für den Fabrikanten.
Lynn hält das Nilpferd im Arm, und ich habe sie eben gefragt, ob sie mir beim Schienen-Bauen helfe; ich frage nach "he?". Sie scheint ihre eigenen Pläne zu haben, setzt das grosse Tier auf den kleinen Wagen des Zuges, fährt ein Stück und macht dazu das Geräusch des Zuges: "tsuf-tsuftsuf". Dann hebt sie das Nilpferd vom Wagen und kommentiert "abstiige hopp!" (absteigen hopp!). Sie hält einen Moment inne, sagt dann zufrieden lächelnd "jetz is e d'Suel" (jetzt ist er die Schule) und ich wiederhole "jetzt ist er schon in der Schule?".Diese Szene zeigt sehr deutlich, dass Lynn eine Vorstellung davon hat, was sie spielen möchte und diese gemäss einem inneren Plan umsetzt: der kleine Zugwagen steht dabei symbolisch für das Transportmittel, mit dem das Tier zur Schule fährt. Die Fahrt selbst wird zeitlich und örtlich verkürzt, so dass Lynn möglichst rasch zum Thema kommt, welches sie wirklich interessiert: die Schule.
Ich hebe den Arm des Bären und kommentiere "meiner streckt auf und sagt..". In hohem Tonfall fahre ich fort "ich weiss etwas... Frau Lehrerin, kann ich jetzt wieder heim?". Lynn schaut mir zu, lächelt und antwortet "ja". Dann schaut sie zur Bahn, sagt "de au zesch dä" (der auch zuerst der), setzt das Nilpferd symbolisch auf die Wagen und fährt mit ihm, wobei sie dies lautlich begleitet mit "gsu-gsu-gsu". Ich stimme ein "tschuftschuf-tschuf".Lynn zeigt hier, dass sie bereits ein Spiel planen kann, in welches sie auch mich einbezieht. Sie hört ganz konzentriert zu, was "mein" Bär sagt, nimmt den Vorschlag zum weiteren Spielverlauf sofort auf und realisiert ihn gemäss dem früheren Spielplan: die Tiere sind mit dem Zug gekommen und gehen deshalb auch wieder damit nach Hause.
Lynn fährt mit dem Nilpferd bis zum Ende der Schienen und führt den Zug wieder an den Anfang zurück. Sie begleitet dies lautmalerisch mit "gsu-gsu-gsu". Ich denke, dass die Handlung jetzt zu Ende sei, schaue den Bären an und sage "so, seid ihr wieder heimgekommen?". Sofort greift Lynn ein, und während sie auf den Zug zeigt, erklärt sie "nei, du musch da fahre". Ich setze den Bären auf den Zug und fahre mit ihm, was von Lynn mit ernstem Blick beobachtet wird. Hier wird nochmals deutlich, dass Lynn eine Vorstellung der Spielabfolge hat, in die sie auch mich, bzw. meinen Bären einbezieht. Tatsächlich war mein Bär nach der Schule noch nicht nach Hause gefahren, wo rauf sie mich nun hinweist.