Symbolische Entwicklung

Einfache symbolische Handlungen [ab 18-24 Monaten]

Die Möglichkeit des Kindes, sich nicht nur auf die Handlung, sondern auch auf deren Resultat zu konzentrieren, kann auch als erste Form der kognitiven Dezentrierung beschrieben werden. Wenn das Kind in der Phase des Funktionsspiels dem Tier zu essen gibt, steht es selbst als "Fütterndes" im Zentrum der Handlung. Beginnt es sich für das Resultat seines Tuns zu interessieren, heisst dies, dass das Tier als essendes, bzw. als gefüttertes Wesen in den Vordergrund rückt. In gewissem Sinne muss es sich also in die Situation des Essenden hineinversetzen oder anders gesagt, eine Vorstellung des Essens aufbauen; das Füttern wird so zu einer symbolischen Handlung. Wie aktiv das Kind an diesem Prozess beteiligt ist, kann man daran beobachten, dass es manchmal den Löffel kurz zum eigenen Mund führt oder diesen öffnet und schliesst, um sich die Handlung genau in den Sinn zu rufen eben vorzustellen.



Luca 19 Mte

Luca bewegt den Zug auf den Schienen und ich kommentiere "tutuu tsch-tsch-tsch". Er äussert "ta" und zeigt auf eine Schüssel voller Knete, welche er vorher auf den Zug geladen hat. Ich frage "altro?" (mehr?); er nickt zufrieden lächelnd und schaut kurz zur Mutter. Ich reiche ihm die Schüssel und sage "questo ti piace, eh?" (das gefällt dir, nicht?). Ich bemerke, dass er ganz rote Ohren hat und fasse kurz hin. Er schaut mich an und lädt etwas Knete auf den Wagen. Dann äussert er mit hoher Stimme "uh, daa?!" und fasst den Zug an, unterbricht aber die Handlung. Er sagt "ah!" und schaut mich auffordernd an. Nach einem kurzen Moment erinnere ich mich an den Ablauf des vorherigen Spiels und rufe "partenza! tschuf-tschuf" (Abfahrt!). Zufrieden beginnt Luca, den Zug auf den Schienen zu bewegen.Dies ist eine ganz spezielle Szene, da sie eigentlich die Entdeckung der sozialen Kommunikation darstellt. Während Luca noch im Alter von 16 Monaten meist ganz für sich spielte, hat er jetzt die Möglichkeiten des Anderen entdeckt und bezieht mich erstmals aktiv in sein Spiel mit ein.



Roberta 20 Mte

Roberta legt dem Nilpferd eine Knetwurst hin und ruft "mmmh!". Ich nehme diese mit dem Maul des Tieres auf und mache ebenfalls "mmamam". Roberta lacht, schaut kurz zu mir und bemerkt dann die Flasche, welche sie noch in der Hand hält. Sie sagt "ting" (trinken) und beginnt, den Inhalt in einen Becher zu giessen. Die Handlung des Fütterns kann insofern als symbolisch bezeichnet werden, als nicht die Handlung selbst im Vordergrund steht, sondern das, was dann passiert, nämlich, dass das Tier isst. Dies sieht man auch daran, dass sie mit dem "mmmh" das Essen des Tieres vorwegnimmt. Schliesslich kann sie auch spontan eine neue Handlung (zu trinken geben) anfügen und das, was geschehen soll, mit dem Wort "ting" bereits antizipieren.



Roberta 22 Mte

Roberta nimmt das Telefon, wendet sich mir zu und äussert ihre Absicht: "meh telefonee". Dann hält sie den Hörer dem Nilpferd ans Ohr und sagt "hoi, hoi, Papa". Ich antworte "hoi, hoi, Papa, ich bin der Niili! Kommst du bald heim Papa?". Sie schaut das Nilpferd an und wendet sich dem Regal zu, während sie meine Aeusserung wiederholt "Papa hei".Diese Szene zeigt nun deutlich die Dezentrierung im Symbolspiel, d.h. die Möglichkeit, das Nilpferd als aktives, telefonierendes Wesen darzustellen.



Marina 25 Mte

Marina hat mit der Flasche hantiert, schaut nun auf und fragt "wo's Bäbi?". Ich rücke die Puppe auf meinem Schoss etwas nach vorn und antworte "da ist es". Sie schaut sich auf dem Tisch um und fragt "wo's Löffeli?". Während ich sage "s' Löffeli, das ist...", hat sie dieses bereits aufgehoben, und ich bestätige "da ist es". Sie führt es in die Flasche ein und hält es dann lächelnd zum Mund der Puppe . Ich mache ein EssGeräusch und sage "danke Marina". Sie legt den Löffel hin, nimmt den mit Wasser gefüllten Schoppen, sagt "namal Wasse" und füllt dieses vorsichtig in die Flasche.Durch die Fragen nach der Puppe und dem Löffel am Anfang dieser Szene zeigt Marina, dass sie eine Vorstellung der auszuführenden Handlung entwickelt hat. Nachdem sie diese Handlung ausgeführt hat, fällt ihr Blick wieder auf die Flasche, und daraus ergibt sich die nächste Tätigkeit.Interessant ist hier die Frage, welche Funktion ihre sprachlichen Aeusserungen haben. Auf den ersten Blick sind die ersten beiden Fragen und die dritte ein Ausdrücken ihrer Absicht. In der Tiefe haben sie jedoch mehr die Funktion, die Ereignisse zu beschreiben, d.h. die Planung und Koordination ihrer Handlungen zu unterstützen.



Lynn 29 Mte

Lynn füttert das Nilpferd mit Knete. Ein Stück ist zu Boden gefallen, und ich habe das Ereignis so kommentiert, dass es vom Nilpferd ausgespuckt wurde. Die Szene beginnt, als Lynn dem Tier voller Erwartung ein weiteres Stück Knete hinhält, während ich es ermahne "du musst schön essen!". Sobald das neue Stück im Maul ist, wird es vom Tier wieder ausgespuckt. Lynn quietscht vor Lachen und wiederholt "schön esse". Ich sage "also das ist einer, also nein!", während Lynn, immer noch lachend, ein neues Stück in das Maul des Tieres schiebt. Wieder wird es ausgespuckt, und gemeinsam lachen wir. Diese Szene zeigt sehr schön die Form der Dezentrierung, welche zu echten symbolischen Handlungen führt: nur weil Lynn das Nilpferd als Gegenüber, als Du betrachtet, kann sie das Ausspucken auch als seine (ungezogene) Handlung verstehen und sich darüber freuen, dass sich dieses einfach über die Aufforderung "schön essen" hinwegsetzt.



Remo 29 Mte

Remo bricht ein Stück Knetmasse ab und reicht es dem Nilpferd. Ich sage an seiner Stelle "nein, ich will nicht mehr". Remo schaut zuerst das Tier etwas irritiert an; dann schaut er zu mir und sagt "doch"; dabei hält er die Knete dicht an den Mund des Tieres. Ich wiederhole "nein, ich will nicht mehr" und mache dann eine Geste des Wegspuckens. Remo schaut mich an und lacht laut.