Wenn das Kind mit 30-36 Monaten beginnt, geschlossene Formen oder Linien zu zeichnen, sind dies Figuren, welche "etwas" darstellen. Damit es ihnen aber auch Bedeutung geben kann, muss es sie innerlich ergänzen und beleben, das heisst von der Figur ausgehend entsprechende Vorstellungen aufbauen.
Marina greift nach einem Malstift und benennt seine Farbe "o-angs". Ich bestätige "orange". Sie nimmt den Deckel weg und schaut sich die farbige Spitze genau an, berührt sie mit dem Finger und stellt fest "oh isch jot" (ist rot). Ich bestätige "ist ein wenig rot, ja, aber es malt...", und da sie bereits einen Strich zeichnet, fahre ich fort "siehst du, es malt trotzdem orange". Langsam fährt sie mit dem Stift über das Blatt hinaus auf den Tisch und malt dann einen weiteren Strich auf das Papier. Dann lacht sie, setzt die Kappe auf den Stift, zeigt auf den Strich auf dem Papier, schaut mich an und sagt "Slange". Ich antworte "eine Schlange hast du gemacht so?". Und nochmals schaut sie zufrieden auf ihre Zeichnung.
Anouk hält den Malstift im Daumenquergriff in der rechten Hand, malt eine kleine geschlossene Form und erklärt "Auto gmacht" (Auto gemacht). Ich sage "schon wieder ein Auto?" und füge hinzu "schau, jetzt kannst du noch die Rädlein machen". Anouk malt in der Mitte des von mir gezeichneten Autos eine kleine geschlossene Form und macht dann einzelne Punkte. Ich bestätige "ehegenau"; dann füge ich ein fehlendes Rad durch zirkuläres Kritzeln hinzu und kommentiere "da tut es noch fahren ehm-ehm-ehm". Anouk schaut mich kurz an und imitiert dann die Kritzelbewegung sowie das Fahrgeräusch.
Ich habe ein Auto ohne Räder gemalt und Roberta gefragt, ob noch etwas fehle. Die Szene beginnt, als sie mit fragendem Tonfall antwortet "Bei?" (Beine?). Ich reiche ihr den Stift und sage "die Beine, ja, das kannst du machen". Sie malt zwei Striche, und ich ergänze "dass er auch fahren kann". Sie bestätigt "ja", betrachtet dann die Zeichnung und sagt "muss i na Rädli mache, gäll" (muss ich noch Rädchen machen, gell). An der Stelle der fehlenden Räder fügt sie zwei kleine Striche hinzu; ich sage "ja super" und dann "und noch die Strasse unten, natürlich". Sie malt eine Linie und ich sage "ganz gut".
Remo ist dabei, bei einem von mir gemalten Auto die Räder zu ergänzen. Er hält den Malstift im Faustgriff in der rechten Hand und malt eine Art Strich. Ich kommentiere "ja, so ist gut" und frage dann "und die Strasse?". Remo beendet seinen Strich, schaut auf die Zeichnung und antwortet "nei, nei de tut jetz ohni-ohni Strass fahre" (nein, der tut jetzt ohne Strasse fahren). Gleichzeitig wechselt er den Stift in die linke Hand. Ich wiederhole "ah, der tut ohne Strasse...". Remo malt zwei senkrechte Linien und kommentiert "Leitere" (Leiter). Ich sage "ah, das ist gut, dann kann er dort hinaufklettern". Remo bestätigt "ja, abe-da is aber e gföhrlichi Leitere" (ja, das ist aber eine gefährliche Leiter). Ich frage nach "ehrlich?", und er wiederholt "gföhrlichi", nickt mit dem Kopf und legt den Stift hin.
Wir haben diese Szene so interpretiert, dass Remo nicht genau wusste, wie er die Strasse malen sollte und deshalb sagte, das Auto fahre ohne. Dann stellte er sich dies vor: ein Auto ohne Strasse ist ein Auto in der Luft, d.h. es braucht eine Leiter, um es zu erreichen.
Hier wird deutlich, wie über das Handeln und das Sprechen neue Vorstellungsbilder aufgebaut und ihrerseits wieder kommentiert werden können.