Wenn sich das Kind zwischen 18 und 24 Monaten für das Resultat der Handlungen zu interessieren beginnt, steht nicht mehr die Handlung des Blätterns, sondern das Bild selbst im Zentrum. Auf der Beobachtungsebene zeigt sich dies durch eine Art Zurücktreten, Verweilen, um zu betrachten. Das Zeigen bezieht sich nicht mehr auf das Bild als Einheit, sondern verweist auf Einzelheiten; das Kind stellt Zusammenhänge her zwischen Bildteilen sowie zwischen den Bildern und den Dingen, welche abgebildet sind. Das Betrachten von Bilderbüchern ist damit auch entscheidend an der Begriffsbildung beteiligt.
Ich öffne das Bilderbuch und sage "qui chi c'??" (da wer ist das?). Luca sagt "m-m" und schaut mich lächelnd an. Ich bestätige "wu-wu, hai visto" (wu-wu, hast du gesehen). Ich zeige auf das nächste Bild einer Katze, die Milch trinkt und sage "miau". Luca macht ein Schmatzgeräusch; ich bestätige "si" und wiederhole das Schmatzgeräusch. Dann blättert er um, und ich frage "e poi, qua?" (und dann, hier?). Es ist ein Schwein, und Luca macht wieder "m-m". Ich antworte "ch-ch". Er schaut mich an und zeigt dann auf das Bild eines Schafes. Ich sage "e qui? bäh!" (und hier? bäh).Wie fast alle Szenen von Luca zeigt auch diese den Uebergang vom funktionalen zum symbolischen Gebrauch, d.h. hier vom "Blättern" zum "Betrachten" und von der "handlungsbegleitenden Aeusserung" zum "Beschreiben". In jedem Falle bezieht sich das Anschauen darauf, dass dort im Buch Bilder sind. Die Lautmalereien ihrerseits werden durch die Bilder hervorgerufen; gerade durch das Benennen werden diese aber lebendiger, bedeutungsvoller.
Roberta reicht mir das Bilderbuch; ich öffne es und frage "oh, wer ist denn da?". Sie betrachtet das Bild und sagt dann "wauwau". Ich zeige auf das folgende Bild und frage "und da?". Mit leicht verlegenem Gesichtsausdruck und leiser Stimme antwortet sie "Büsi". Ich bestätige "Büsi". Am Anfang der Szene gibt mir Roberta das Buch und fordert mich damit zum Erzählen auf. Dies ist ein deutlicher Unterschied zu früheren Entwicklungsphasen, wo der funktionale Gebrauch, nämlich das Blättern im Vordergrund steht, d.h. wo die Kinder mit dem Buch handeln wollen.Die unsichere Haltung beim Benennen haben wir sie interpretiert, dass sie bereits ahnt, dass es beim Benennen falsch und richtig gibt und deshalb etwas vorsichtig ist.
Roberta blättert eine Seite des Bilderbuches um, öffnet den aufklappbaren Bildteil, wo der vordere Teil eines Löwen abgebildet ist. Ich frage "oh, wer ist denn da?" und sie antwortet "de Bä" (Bär). Ich sage etwas unbestimmt "ja..". Sie berührt eine lose Stelle des aufklappbaren Bildteils und kommentiert "weg". Dann richtet sie sich auf und erklärt "oh da seppe Gans" (da hat er Angst). Ich mache "ja" und sie präzisiert "wauwau Dans Bä" (wauwau Angst Bär). Ich bestätige "ja, hat er ein wenig Angst vor dem Bär macht er schnell die Türe wieder zu".Roberta versucht spontan auszudrücken, was ich ihr vorher erzählt habe, nämlich dass der Hund Angst vor einigen der versteckten Tiere hat. Da es sich dabei um ein Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt handelt, verlangt diese Aussage im Prinzip einen Drei-Wort-Satz. Sie versucht es zuerst, die Aeusserung ist aber kaum verständlich ("da seppe Gans"). Dann fällt ihr Blick auf den Hund und es gelingt ihr, den ersten Dreiwort-Satz zu bilden: "wauwau Dans Bä" (der Hund hat Angst vor dem Bären).Ich habe hier die Benennung "Bär" statt "Löwe" absichtlich nicht korrigiert, weil ich befürchtete, dadurch ihre Aufmerksamkeit vom Inhalt abzulenken.
Remo hat eine aufklappbare Türe im Bilderbuch geöffnet und fragt "abe da deda, was is das?". Ich antworte "das ist der Löwe"; Remo fügt sofort hinzu "de Leu hätt Angst vom Hund" (der Löwe hat Angst vor dem Hund) und schaut mich vielsagend an. Ich wiederhole ungläubig "der Löwe hat Angst vor dem Hund?".
Zu einem vorhergehenden Bild des Bilderbuchs habe ich erzählt, dass der Hund Angst vor der Schlange habe. Was Remo interessiert, sind die Tiere, vor denen man Angst hat. Was er in dieser Szene also ausdrücken will, ist die Tatsache, dass auch der Löwe Angst macht. In seiner Vorstellung ist folglich der Löwe das Subjekt, und deshalb wird er auch an den Anfang des Satzes gestellt.
Anouk betrachtet das Bilderbuch vom kleinen Hund, und ich frage "ist er wohl da drin ...?". Sie öffnet die Klappe, schaut mich an, und ich mache "oh wer ist denn da in ...". Sie antwortet sofort "Niili", und ich bestätige "der Niili, genau!". Sie weist auf die Nilpferd-Puppe hin und erklärt "das iss' Niili". Ich halte dieser das Buch hin und frage "ja, schau mal Niili, siehst du dich?". Anouk schaut von mir zum Nilpferd und wieder zum Bilderbuch; ich sage "so was du", und sie ergänzt "böse". Ich verneine "nein, der ist nicht so ein böser, der ist ..."; sie unterbricht mich und erklärt "Slange bös" (Schlange böse). Ich bestätige "die Schlange ist böse, genau".Diese Szene zeigt sehr schön, dass Anouk die Abbildung des Nilpferdes erkannt hat und sich sofort auf das entsprechende Tier bezieht. Deutlich kann man auch erkennen, wie sie aktiv versucht, mehr über den Begriff "böse" zu erfahren, indem sie probeweise dem Nilpferd diese Eigenschaft zuspricht. Dies kann sie nur tun, weil sie die Geschichte bis zu diesem Punkt verstanden hat, und genau dies teilt sie mir auch sofort mit. Man kann deshalb sagen, dass sie bereits ein kleines Gespräch über dieses Thema führen kann.
Ich erzähle die Geschichte der Hunde-Mutter, die den kleinen Hund sucht. "Dann sagt sie, wo ist denn der kleine Hund? Gopfriedstutz, ist er wohl da unter dem Teppich?". Leonie öffnet den aufklappbaren Bildteil, schaut auf die Abbildung und ich frage "eh, wer ist denn da?". Lachend schaut sie mich an, antwortet "d'Schildchlott" (die Schildkröte) und schaut noch zur Mutter, während ich ausrufe "also nein!". Dann blättert sie eine weitere Seite um und öffnet den nächsten Bildteil, unter dem der kleine Hund abgebildet ist. Ich frage "ist er wohl im Korb drin?", und sie ruft"ja!".Diese Sequenz zeigt, dass Leonie die kleine Geschichte verstanden hat und die sprachlichen Aeusserungen mit den Bildern in Verbindung bringen kann.
Remo schaut das Bilderbuch mit den aufklappbaren Bildteilen an. Er weist auf eine Klappe hin und sagt "da mönd's zue slüsse" (da müssen sie zuschliessen). Ich sage "ja, am besten tust du einen Klebstreifen drauf, damit es richtig zu ist". Er bestätigt "da mömmer e Chläbi ane mache" (da müssen wir einen Klebstreifen hinmachen). Ich sage "ich gebe dir hier eines, da kannst du es richtig hinmachen" und reiche ihm ein Stück Klebband. Remo wendet sich Volker zu, der am Filmen ist, und erklärt "da, da s' gaht immer uf, isch nämli en Leu dinne, da-da mömmer es Chläbi heremache, weis" (das geht immer auf, da ist nämlich ein Löwe drin, da müssen wir ein Klebband hinmachen, weisst du). Dann nimmt er das Band und klebt es über die Nahtstelle.