Sprachliche Entwicklung

Einzelne Wörter [ab 12-15 Monaten]

Zwischen 12 und 15 Monaten spricht das Kind die ersten Wörter. Dazu gehören "Mama" und "Papa", verschiedene Lautmalereien, das hinweisende Wort "da" und häufig auch "dada" (danke) beim Geben und Nehmen, und etwas später auch das Wort "nein". Die meisten dieser ersten Wörter werden inhaltlich noch stark überoder unterdehnt, d.h. ihre Bedeutung ist viel breiter oder enger als in der Erwachsenensprache. Viele Kinder sagen z.B. "Mama" zu beiden Eltern oder "Papa" zu allen Männern, oder aber ÒBebeÓ nur gerade zu ihrer eigenen kleinen Schwester. Ein weiteres Merkmal dieser ersten Wörter liegt darin, dass sie noch ganz an die Situation gebunden sind, d.h. sie sind eigentlich ein Teil der Handlung oder des Gegenstandes, den sie bezeichnen. Sie werden durch die Situation hervorgerufen, dienen aber gleichzeitig als eine Art Hilfsmittel, um diese als "etwas" zu erfassen und ihr eine Bedeutung zu geben. Das Kind kann jedoch diese ersten Wörter noch nicht gebrauchen kann, um dem Anderen etwas mitzuteilen. In diesem Sinne handelt es sich auch nicht um "Einwort-Sätze", sondern um "einzelne Wörter".



Selina 11 Mte

Ich reiche Selina eine Flasche zum trinken und frage "willst du noch ein wenig?". Sie wendet sich ab und äussert eine kurze Lallsequenz. Ich gebe ihr ein Stück Zwieback und frage "willst du noch ein wenig Zwieback mämämäm?" . Sie nimmt das Stück, hält es mir hin, schaut mich an und begleitet dies mit der Aeusserung "mämäm".



Charlotte 13 Mte

Ich zeige Charlotte den Spiegel und frage "wer ist denn das? Meitli?". Sie schaut hinein, legt das Bilderbuch hin, sagt "de" und greift mit beiden Händen nach dem Spiegel. Ich wiederhole "Meitli?"; sie nimmt ihn näher zum Gesicht und sagt "dada". Ich frage weiter "schöne?", worauf sie den Spiegel von sich weg wirft. Ich kommentiere dies mit "oh! pumm", nehme gleichzeitig den Spiegel wieder auf und wiederhole "schöne Meite?" (schönes Mädchen). Ich halte ihn Charlotte nochmals vor das Gesicht und rufe "cucu". Beim Hineinschauen sieht sie nun mich, und ich sage "hoi cucu!". Sie schaut etwas genauer, wendet dann den Kopf zu meinem Gesicht und lächelt leicht. Ich sage "dada!". Nun schaut sie wieder in den Spiegel; unsere Blicke treffen sich dort und ich rufe "cucu!". Wieder schaut sie mich direkt an und ich begrüsse sie "dada!".Den ersten Teil der Szene kann man ganz ähnlich interpretieren, wie die Situation mit dem Bilderbuch: Charlotte kennt die Funktion des Spiegels, hält ihn zum Gesicht und sieht dort etwas; sie kommentiert auch wieder "dada" und drückt damit aus, dass es von Bedeutung sein könnte. Doch kann sie ihr Spiegelbild noch nicht erkennen und schmeisst den Spiegel weg. Ihre Handlung ist damit dem funktionalen "Umdrehen/ Betasten" zuzuordnen und noch nicht dem (beschämten) Wegsehen. Im zweiten Teil sieht sie dann mich; dieses Gesicht ist ihr bekannt und mit leicht erstauntem Ausdruck schaut sie deshalb zu mir hin.



Anouk 14 Mte

Ich habe das Nilpferd in den Korb gelegt, wiege diesen hin und her und summe "ninna-nanna, ninna-nanna". Dann sage ich "tschau, schlaf gut" und gebe dem Tier einen Gutenacht-Kuss. Anouk schaut zu und beugt sich dann auch über das Tier, um die Geste nachzuahmen. Ich kommentiere "oh, lieber" und mit etwas abrupten Bewegungen versucht sie nun auch, den Korb zu wiegen. Dazu wiederholt sie die Lautmalereien "nina-nee" und wendet sich dann sofort ab.In dieser Szene kann man gut beobachten, dass ich zwar das Tier symbolisch schlafen lege, dass die Nachahmung von Anouk aber die Qualität einer funktionalen Handlung hat. Anouk scheint bei meiner Handlung etwas wiederzuerkennen, das ihr bekannt vorkommt. Deshalb ist sie interessiert und ahmt meine Tätigkeit nach. Dabei steht aber noch ganz ihr eigenes Tun im Vordergrund, d.h. Anouk schaut nicht nach dem Tier und stellt sich vor, wie dieses nun schläft.



Luca 16 Mte

Während des Spiels mit Pfannen und Knetmasse schaut Luca von sich aus zu seiner Mutter (welche hinter der Kamera sitzt und filmt), lächelt, schaut zu kurz zu mir und ruft dann "Mama!". Ich bestätige "c'è mama?" (ist Mama da?). Wir lächeln uns an, und ich erkläre "sta facendo il film - eh" (sie macht den Film). Luca wendet sich wieder seinem Spiel zu. Er nimmt ein Stück Knetmasse, legt es in die Pfanne und versucht, den Deckel zu schliessen.



Caroline 16 Mte

Ich halte Caroline die Formbox hin und lasse einen Zylinder durch die Oeffnung fallen. Sofort greift sie dort hinein; ich frage "ist er drin?" und reiche ihr eine andere runde Form. Sie führt sie in die gleiche Oeffnung ein, und ich kommentiere "oh bumma!". Sie schaut mich kurz an, greift nach der nächsten runden Form und führt sie ein. Ich sage "oh"; sie schaut mich an und äussert spontan "b", und ich wiederhole "bumma!". Sofort führt sie die nächste Form ein, schaut zu mir auf und sagt "b". Ich bestätige "bumma".Wie in der Szene mit dem Pinguin scheint auch hier das "b"-Sagen dem Spiel eine neue Bedeutung zu verleihen. Es ist nicht das Reintun der Formen selbst, welches zum referentiellen Blickkontakt führt, sondern es ist das Wort, welches auf diese Weise geteilt wird.