Hat das Kind zwischen 18-24 Monaten die symbolische und kommunikative Funktion der Sprache entdeckt, wendet es sich ihr mit ganz neuem Interesse zu: es beginnt zu fragen. Aufgrund der Fähigkeit, Vorstellungen aufzubauen, sind diese Fragen nicht an das Hier und Jetzt gebunden, sondern richten sich auch auf abwesende, vergangene oder zukünftige Dinge und Ereignisse. Durch die Fragen kann das Kind seinen Wortschatz so stark erweitern, dass dieser bereits mit 30-36 Monaten sehr differenziert ist, d.h. es äussert spontan Begriffe wie bspw. "schielen" oder "ähnlich".
Leonie hat eine Uhr gefunden, welche ich nun dem Nilpferd anziehe. Sie betrachtet es und stellt mit leicht abschätziger Mimik fest "de schiled nämlich" (der schielt nämlich). Dann nimmt sie die Brille aus einer Schachtel. Ich antworte "er ah ja, dann zieh ihm doch die Brille an, in diesem Fall". Sie schaut sich die Brille genau an und fragt "is das dini Blüle hä?" (ist das deine Brille?), während sie diese vor die Augen hält und durchschaut. Ich bestätige "ehe, aber die kann man gut nehmen, sie ist zum Spielen". Sie betrachtet die Brille weiter und sagt dann "ähnlich". Ich verstehe nicht gleich und frage "he?"; sie wiederholt "ähnlich".Diese Szene zeigt deutlich, dass sich der Wortschatz von Leonie nicht nur auf das Benennen alltäglicher Gegenstände und Handlungen beschränkt, sondern ihren Beobachtungen entsprechend schon sehr differenziert ist. Dazu gehört nicht nur das Wort "schielen", sondern insbesondere auch der Ausdruck "ähnlich".
Roberta zeigt dem Nilpferd das Bilderbuch. Sie blättert eine Seite um, und ich frage "und wer ist denn da unter dem Bett unten?". Sie klappt das Teil auf, und ich sage mit hoher Stimme "hilfe, da habe ich Angst". Sie schaut kurz zum Nilpferd, zeigt dann mit dem Finger auf das Bild und erklärt "Krokodil sind doch lieb". Ich antworte "ehrlich, macht das sicher nichts?"; sie sagt "nei" und ich füge hinzu "aber es hat so ein grosses Maul?". Sie schliesst die Klappe und erklärt "da mus me kei Angst ha" (da muss man keine Angst haben). Ich wiederhole "muss ich keine Angst haben"; sie bestätigt "nei" und blättert eine Seite weiter.
Remo ist dabei, bei einem von mir gemalten Auto die Räder zu ergänzen. Er hält den Malstift im Faustgriff in der rechten Hand und malt eine Art Strich. Ich kommentiere "ja, so ist gut" und frage dann "und die Strasse?". Remo beendet seinen Strich, schaut auf die Zeichnung und antwortet "nei, nei de tut jetz ohni-ohni Strass fahre" (nein, der tut jetzt ohne Strasse fahren). Gleichzeitig wechselt er den Stift in die linke Hand. Ich wiederhole "ah, der tut ohne Strasse...". Remo malt zwei senkrechte Linien und kommentiert "Leitere" (Leiter). Ich sage "ah, das ist gut, dann kann er dort hinaufklettern". Remo bestätigt "ja, abe-da is aber e gföhrlichi Leitere" (ja, das ist aber eine gefährliche Leiter). Ich frage nach "ehrlich?", und er wiederholt "gföhrlichi", nickt mit dem Kopf und legt den Stift hin.
Wir haben diese Szene so interpretiert, dass Remo nicht genau wusste, wie er die Strasse malen sollte und deshalb sagte, das Auto fahre ohne. Dann stellte er sich dies vor: ein Auto ohne Strasse ist ein Auto in der Luft, d.h. es braucht eine Leiter, um es zu erreichen.
Hier wird deutlich, wie über das Handeln und das Sprechen neue Vorstellungsbilder aufgebaut und ihrerseits wieder kommentiert werden können.