Anfangs des zweiten Lebensjahres fordert das Spiel mit dem Gegenstand nicht mehr die gesamte Aufmerksamkeit des Kindes. Es beginnt, die Gegenstandsund Personenwelt miteinander zu verbinden, d.h. es zeigt dem Anderen Dinge oder bringt sie ihm, und während oder nach einer Handlung schaut es, was sie zu einer bestimmten Situation meinen, welche Mimik sie zeigen oder was sie sagen. Dadurch entdeckt es, dass Wörter oder Sätze eine bestimmte Bedeutung haben. Im Alter zwischen 12 und 15 Monaten ist diese Bedeutung noch stark an die Situation gebunden, d.h. das Kind reagiert auf eine Aufforderung, indem es tut, was es normalerweise in dieser Situation tut. Bei der Aufforderung "gib mir die Gabel" wird es den Gegenstand geben, mit dem es gerade hantiert; d.h. wenn es die Gabel im Moment der Aufforderung in der Hand hält und sie gibt, hat es eine situationale Aufforderung befolgt. Gibt es gerade der Puppe etwas zu essen, wird es auf die Aufforderung "noch mehr!" nach weiteren Dingen suchen, welche es ihr geben kann. Während des zweiten Lebensjahres ist das Sprachverständnis noch weitgehend an das Handeln gebunden oder anders gesagt, um zu verstehen, muss das Kind den genannten Gegenstand nehmen und "behandeln". Es wird deshalb auf die Aussage "das Tier isst" genau gleich reagieren wie auf die Aufforderung "gib dem Tier zu essen".
Selina nimmt die Bürste zuerst kurz in den Mund, schaut mich an und gibt sie dann dem Nilpferd. Sie schaut zu, wie ich das Kauen imitiere und wendet sich dann einem neuen Gegenstand zu. Ich sage "nomeh!", wiederhole zweimal, dann schaut sie mich wieder an und reicht schliesslich dem Nilpferd den Becher, den sie in der Hand hält.Bei dieser Szene steht ein interaktionales Spiel (geben) im Vordergrund und noch weniger ein funktionales Spiel (zu essen geben). Sehr gut ist hier auch der referentielle Blickkontakt zu beobachten, mit dem Selina immer wieder meine Aktionen und Reaktionen kontrolliert. Durch den Blickkontakt und die allgemeine Situation kann sie auch meine sprachliche Aufforderung "nomeh" verstehen.
Ich halte das Nilpferd in der Hand und verlange zu essen "mämäm-mämäm, mämäm". Charlotte sucht am Boden nach kleinen Knete-Stücken; als sie eines findet, hält sie es dem Tier hin und sagt "da!". Ich sage "danke" und mache die Geste des Kauens "ememem". Sie schaut erst zu und streckt dann die Hand zum Maul, um sich das Stück wieder zu holen. Dabei fällt es zu Boden; ich sage "ops!" und lege es zurück in ein Gefäss. Sie lacht laut. Ich verlange mit hoher Stimme "noch mehr- noch mehr, mämäm haben". Sie greift das Stück, reicht es dem Tier und begleitet die Handlung wieder mit "da". Dann schaut sie erst zu mir und dann zum Nilpferd, welches am Kauen ist.
Ich reiche Nadine die Bürste und die Mutter kommentiert "da kannst du bürsten, 'strählen' tust du das Bäbi 'strählen' ein schönes Bäbi machen". Nadine führt die Bürste zum Kopf der Puppe und führt die Bewegung des Bürstens aus. Dann legt sie diese weg und nimmt ein Büchlein, welches in der Nähe liegt.
Luca manipuliert die Wählscheibe des Telefons, und ich frage "chiamiamo papa?" (wollen wir Papa anrufen?). Luca schaut kurz zu seiner Mutter (welche filmt) und dann zurück zu mir. Ich drücke auf den Klingelknopf und sage "drrr"; er ahmt dies sofort nach, und ich wiederhole "drrr". Dann nehme ich den Hörer ab und sage mit tiefer Stimme "si, qui c'è papà - c'è Luca --- c'è Luca?" (ja, da ist Papa - ist Luca da?). Luca schaut mich verständnislos an; er steckt den Finger in das Loch der Wählscheibe und wendet sich dann ab. Ich weise auf das Telefon hin und flüstere "qui c'è papà", und Luca schaut nochmals hin.
Ich interpretiere den Anfang dieser Szene so, dass Luca von meiner Äusserung nur das Wort Papa verstanden hat, und deshalb fragend zu seiner Mutter schaut. Auch später kann er weder die Wörter noch die (symbolische) Bedeutung der tiefen Stimme erfassen; er scheint eher verunsichert und wendet sich deshalb ab.
Luca hält die Schere zuerst in der rechten Hand und richtet die Spitze zum Klebband, das ich ihm hinhalte. Dies entspricht einer funktionalen Geste, denn die Schere kann auf diese Weise nicht manipuliert werden. Spontan nimmt Luca nun die andere Hand zuhilfe und öffnet die Schere. Ich sage "si, cos?" (ja, so)und dann "chiudi -chiudi" (schliesse), während Luca die Schere langsam schliesst. Als sie zu ist, mache ich "ah!", reisse das Band los und halte es Luca hin, der es ganz erstaunt betrachtet.Aufgrund des ersten Teils der Szene kann man davon ausgehen, dass Luca noch nie geschnitten hat. Man kann deshalb annehmen, dass er das Funktionieren der Schere in dem Moment entdeckt, wo er sie zum Klebband hält. Es ist, als ob die Schere als Gegenstand mit zwei Griffen nach der Zuhilfenahme der anderen Hand rufen würde.