Im Alter von 18-24 Monaten kennt das Kind die Namen alltäglicher Gegenstände und Handlungen; gleichzeitig hat es eine gewisse Distanz (Dezentrierung) zu den Dingen entwickelt, d.h. es ist nicht mehr so, dass ein Gegenstand nach genau dieser Handlung ruft, sondern Gegenstand und Handlung können auch unabhängig voneinander betrachtet werden. Damit kann das Kind nun auch nicht-situationale Aufforderungen befolgen, also Aufforderungen, bei denen das Verb und das Substantiv voneinander unabhängig entschlüsselt werden müssen. Die Aufforderung "gib dem Hund zu essen" ist dann eine nicht-situationale, wenn das Kind bis jetzt nur die Puppe gefüttert und diese eben gekämmt hat.
Roberta zeigt auf den unteren Teil der Zeichnung des Autos und äussert die Absicht "siibe". Ich wiederhole "da schreiben?" und male Striche, die ich kommentiere "da ist die Strasse ehm-ehm". Sie schaut sich das Bild an, zeigt dann plötzlich zum Fenster und sagt "do Auto". Ich bestätige "ja, dort draussen ist es". Sie schaut wieder auf das Papier, zeigt auf die Abbildung und wiederholt "do eis Auto fahle bebe fahle". Ich bestätige "ja, fahren tut es" und führe nun die Geste des Steuerns mit den Fahrgeräuschen "brr-brr" aus. Sie schaut mich an, und wir lachen gemeinsam.Diese Szene stellt sozusagen die Begriffsbildung "life" dar. Roberta schaut sich das gemalte Auto an, und plötzlich ist ihr klar, dass es draussen auf der Strasse auch solche gibt. Diese Entdeckung kommentiert sie nun sprachlich, wobei sie über die Interaktion ihr Verständnis kontrolliert: 'es ist doch so, wie ich sage hier ein Auto, dort ein Auto?'.
Ich habe einen Vogel und ein Auto gemalt und ergänze die Zeichnung nun mit einer Mensch-Figur. Marina schaut zu, zeigt und fragt "was ist da?". Ich schiebe ihr die Zeichnung hin und erkläre "das ist Marina". Sie fordert mich auf "nameh" (noch mehr); ich male der Figur einen Arm und kommentiere "da tut sie winken und (ruf-) sagt 'tschüss, ich gehe nach Winterthur'". Um die Worte zu untermalen winke ich kurz und fahre fort "tschüss zäme und das Vögeli sagt 'ich komme auch mit'". Marina lächelt, schaut kurz zu mir auf, weist dann wieder auf die Zeichnung hin und verlangt "nameh zeichne". Ich frage "noch mehr? ja, wer kommt dann wohl noch mit?". Fragend schaut sie zu mir.Diese Szene zeigt sehr schön, wie interessiert Marina dem Entstehen einer Zeichnung zuschaut und den entsprechenden sprachlichen Kommentaren zuhört. Ihre Haltung, der Blick wie auch ihre Wörter weisen darauf hin, dass sie aufgrund der Bilder und der sprachlichen Aeusserungen erste Vorstellungen aufbauen kann.Interessant ist auch, wie sie am Schluss ihre Forderung "noch mehr" ergänzt mit "zeichne", um ganz genau auszudrücken, was sie will.
Remo hält seine Hand dem Nilpferd hin. Ich streichle mit dem Maul leicht seine Hand und sage "hoi Remo, ich bin der Niili". Er lächelt und antwortet "ja..". Ich wiederhole "hoi" und füge hinzu "du, gibst du mir mal ein Würstchen zum Essen?". Remo schaut zum Kochherd, dann hält er seine Hand wieder dem Tier hin und antwortet "ja, ich gibe dir mal es Würstli". Das Maul berührt leicht die Hand von Remo, und ich sage "oh, das ist lässig, gibst du mir eines, ich glaube im Ofen drin hat es noch, oder?". Sofort schaut Remo in den Backofen des Kochherdes und streckt dann seine Hand hinein, um die Wurst rauszunehmen.
Gut kann man hier beobachten, wie Remo die Beschreibung, wo die Würste sind, sofort versteht und entsprechend handelt. Speziell sind hier auch Inhalt und Form der sprachlichen Äusserung. Vom Kontext her könnte Remo auf meine Frage nach dem Würstli einfach mit "ja" antworten. Er wiederholt aber die ganze Äusserung und scheint sich dabei auch spezielle Mühe beim Sprechen zu geben: es ist, als ob er betonen wollte, dass er zum Nilpferd spricht und es als echten Spielpartner betrachtet. Man könnte deshalb sagen, dass das Symbolische hier weniger in der Handlung, als direkt in der Sprache zu beobachten ist.
Anouk betrachtet das Bilderbuch vom kleinen Hund, und ich frage "ist er wohl da drin ...?". Sie öffnet die Klappe, schaut mich an, und ich mache "oh wer ist denn da in ...". Sie antwortet sofort "Niili", und ich bestätige "der Niili, genau!". Sie weist auf die Nilpferd-Puppe hin und erklärt "das iss' Niili". Ich halte dieser das Buch hin und frage "ja, schau mal Niili, siehst du dich?". Anouk schaut von mir zum Nilpferd und wieder zum Bilderbuch; ich sage "so was du", und sie ergänzt "böse". Ich verneine "nein, der ist nicht so ein böser, der ist ..."; sie unterbricht mich und erklärt "Slange bös" (Schlange böse). Ich bestätige "die Schlange ist böse, genau".Diese Szene zeigt sehr schön, dass Anouk die Abbildung des Nilpferdes erkannt hat und sich sofort auf das entsprechende Tier bezieht. Deutlich kann man auch erkennen, wie sie aktiv versucht, mehr über den Begriff "böse" zu erfahren, indem sie probeweise dem Nilpferd diese Eigenschaft zuspricht. Dies kann sie nur tun, weil sie die Geschichte bis zu diesem Punkt verstanden hat, und genau dies teilt sie mir auch sofort mit. Man kann deshalb sagen, dass sie bereits ein kleines Gespräch über dieses Thema führen kann.
Ich habe ein Auto gezeichnet, bei dem die Räder fehlen, und frage nun Leonie "und wie tut es denn fahren?". Sie macht eine Geste der sich drehenden Räder, und ich präzisiere "was fehlt noch unten?". Sie hält den Malstift im Erwachsenengriff in der rechten Hand und schliesst die Auslassungen bei der Zeichnung durch je einen Strich. Dazu sagt sie eine mir unverständliche Aeusserung ("sniek"); ich kommentiere "die Räder.. genau". Dann fordere ich sie auf "und jetzt machen wir noch die Strasse", worauf Leonie spontan eine Linie dem unteren Papierrand entlang malt.
Roberta zeigt dem Nilpferd das Bilderbuch. Sie blättert eine Seite um, und ich frage "und wer ist denn da unter dem Bett unten?". Sie klappt das Teil auf, und ich sage mit hoher Stimme "hilfe, da habe ich Angst". Sie schaut kurz zum Nilpferd, zeigt dann mit dem Finger auf das Bild und erklärt "Krokodil sind doch lieb". Ich antworte "ehrlich, macht das sicher nichts?"; sie sagt "nei" und ich füge hinzu "aber es hat so ein grosses Maul?". Sie schliesst die Klappe und erklärt "da mus me kei Angst ha" (da muss man keine Angst haben). Ich wiederhole "muss ich keine Angst haben"; sie bestätigt "nei" und blättert eine Seite weiter.
Ich hebe den Arm des Bären und kommentiere "meiner streckt auf und sagt..". In hohem Tonfall fahre ich fort "ich weiss etwas... Frau Lehrerin, kann ich jetzt wieder heim?". Lynn schaut mir zu, lächelt und antwortet "ja". Dann schaut sie zur Bahn, sagt "de au zesch dä" (der auch zuerst der), setzt das Nilpferd symbolisch auf die Wagen und fährt mit ihm, wobei sie dies lautlich begleitet mit "gsu-gsu-gsu". Ich stimme ein "tschuftschuf-tschuf".Lynn zeigt hier, dass sie bereits ein Spiel planen kann, in welches sie auch mich einbezieht. Sie hört ganz konzentriert zu, was "mein" Bär sagt, nimmt den Vorschlag zum weiteren Spielverlauf sofort auf und realisiert ihn gemäss dem früheren Spielplan: die Tiere sind mit dem Zug gekommen und gehen deshalb auch wieder damit nach Hause.
Remo zieht das mechanische Spielzeug auf, und ich frage, auf die Spielszene bezogen "der Pingu muss wieder heim?". Er antwortet "ja" und erklärt "de musme ebe hebe bim ufzieh" (den muss man eben halten beim Aufziehen). Als er das Spielzeug fertig aufgezogen hat, stellt er es in die Nähe der Schienen und erklärt "ich ha ebe 's Müsli" (ich habe eben ein Mäuschen). Dann lässt er den Pingu laufen, und ich kommentiere "so aber siehst du, der geht zum Zug und sagt 'ich will einsteigen'". Remo dreht den Pingu vom Zug weg und sagt "nei". Ich frage "nicht?", und er wiederholt "nei".Interessant scheint mir bei all diesen Szenen zum praktisch-gnostischen Bereich (Brio-Bahn, Formbox, mechanisches Spielzeug), wie durch die Sprache die Dezentrierung erkennbar wird: im Zentrum steht nicht mehr die Handlung als solche, sondern das Darüber-Sprechen, d.h. wie die Handlung ausgeführt werden soll, wie die Dinge funktionieren und welche Eigenschaften sie haben.