Mit etwa zwei Jahren kann das Kind bereits drei Elemente einer nicht-situationalen Aufforderung verstehen und die entsprechende Handlung ausführen. Gleichzeitig ist es ihm nun möglich, Aeusserungen zu verstehen, deren Inhalt nicht mit seinen Erfahrungen und Kenntnissen über die Welt korrespondiert, wie dies bei absurden Aufforderungen der Fall ist: bspw. 'gib der Puppe mit dem Malstift zu essen' oder 'kämme den Bären mit dem Löffel'. Um eine solche Aeusserung zu verstehen, muss das Kind nicht nur zu jedem bedeutungstragenden Wort eine Vorstellung aufbauen, sondern diese innerlich auch zu einer kleinen Szene verknüpfen, was ihm etwa im Alter von 30 Monaten gelingt. Beurteilt es nun die vorgestellte Szene als absurd, wird es die Aufforderung entschieden mit "nein" zurückweisen. Viele Kinder lösen das Problem auch so, dass sie die absurde Handlung kurz andeuten, um dann gleich die entsprechende sinnvolle hinzuzufügen; also bspw. den Löffel erst zu den Haaren des Bären und dann zu seinem Mund halten. Als erste Reaktion schauen sie aber immer den Erwachsenen mit einem Blick an, der etwa bedeutet 'spinnst du oder habe ich dich falsch verstanden?'. Dieser Blick verrät oft mehr über das Verstehen des Kindes als die Handlung, welche es effektiv ausführt.
Nadine hantiert mit dem Besteck und ich frage sie "du, tust du die Puppe noch mit dem Löffel bürsten?". Sie schaut mich an, hält inne und sagt "ha ha" (haben). Dann geht sie zur Mutter und holt dort die Bürste, kommt zurück, nimmt die Puppe und bürstet sie zufrieden lächelnd. Diese Szene zeigt, dass Nadine zwei Elemente einer nicht-situationalen Aufforderung verstehen kann, nämlich die Worte bürsten und Puppe. Das Verständnis ist deshalb nicht-situational, weil Nadine im Moment der Aufforderung weder mit der Puppe noch mit der Bürste beschäftigt ist und somit die Aufforderung nur ausführen kann, weil sie die zwei Elemente verstanden hat.Das Spezielle an der absurden Aufforderung liegt darin, dass sie ein weiteres Element, den Löffel beinhaltet, welches mit den anderen beiden in Kontrast steht. Dieses dritte Element kann Nadine noch nicht integrieren. Um die Vorstufe in der Entwicklung des Verständnisses absurder Aufforderungen aufzuzeigen, habe ich diese Szene unter diesem Item eingereiht.
Lynn schaut in den Spiegel und legt diesen nun auf den Tisch. Ich sage "du, und jetzt tust du ihm noch mit der Schere etwas zu essen geben?". Lynn bejaht "ja", greift zur Schere, sagt "da?" und schaut mich fragend an. Sie führt die Schere in das Maul des Nilpferdes, und ich mache "amamam". Sie zieht sich zurück, nimmt die Schere mit beiden Händen und sagt betont "sniide" (schneiden), während sie die Schere einmal öffnet und schliesst.Lynn zeigt hier, dass sie die absurde Aufforderung, mit der Schere zu essen geben, verstanden hat, und führt sie aus, betont aber gleich anschliessend, dass es keinen Zweifel darüber gibt, dass die Schere zum Schneiden da ist. Diese Reaktion auf eine absurde Aufforderung ist sehr typisch; hat das Kind Vertrauen in den Erwachsenen und in die Sprache, führt es die Handlung aus, hat dann aber das Bedürfnis, sich selbst und dem Anderen zu sagen, dass diese Handlung nicht passend ist. Auf diese Weise kann es die Welt sozusagen wieder in Ordnung zu bringen.
Anouk kommt zum Tisch hin, und ich frage "kannst du mal den Niili mit der Gabel kämmen?". Sie nimmt erst eine Gabel und dann einen Löffel und macht etwas übertriebene Bewegungen des Kämmens, wobei sie mich lachend anschaut. Ich kommentiere "schau mal den an, du".Ich habe Anouk eine absurde Aufforderung gestellt, welche sie nun ausführt, wobei sie mir mit dem Blick zu verstehen gibt, dass sie dies als etwas seltsam einstuft./p>
Remo ist mit der Kasse beschäftigt, und ich frage ihn "du, tust du mal mit dem Filzstift telefonieren?". Er überlegt kurz und sagt dann "nei chani nöd" (nein, das kann ich nicht). Ich wiederhole "das kannst du nicht?", und er bestätigt "nei". Ich nehme den Filzstift und sage "du musst mal schauen, ich zeige es dir". Ich halte den Stift zum Ohr und tue, als ob ich telefonieren würde; dazu sag ich "ja, hallo, wer ist da? ist der Remo da?". Remo schaut mir skeptisch zu und antwortet dann nochmals "nei...".Diese Szene zeigt praktisch "life", wie sich Remo meine Aufforderung vorzustellen versucht, um sie dann als das zurückzuweisen, was sie ist: absurd.