Durch seine spontanen Aeusserungen im dritten Lebensjahr zeigt das Kind den Erwachsenen, dass es sich nun auch für Ereignisse aus der Vergangenheit und unmittelbaren Zukunft sowie für abwesende Personen und Dinge interessiert; so fragt es plötzlich "wo Omama?" oder es sagt, es wolle zur Grossmutter fahren. Der Erwachsene beginnt deshalb, ebenfalls nichtsituationale Fragen zu stellen und erkundigt sich zum Beispiel, was es bei der Grossmutter gemacht hat, oder wo es mit ihr gewesen ist. Das Kind erfährt so, dass es Ereignisse gibt, über welche die Anderen nicht Bescheid wissen, und ab Mitte des dritten Lebensjahres beginnt es spontan, ihnen davon zu erzählen, Informationen zu geben. Noch mit fünf bis sechs Jahren fällt es ihm jedoch schwer, genau einzuschätzen, welche Kenntnisse eine fremde Person von seiner Welt haben kann, d.h. welche Informationen es ihr vermitteln muss, damit sie seine Geschichte verstehen kann.
Anouk holt das Telefon von der anderen Seite des Tisches, schaut mich an und erklärt "lüte gäll" (läuten -gell). Ich sage "hat es schon wieder geläutet? die Maja, du, die ruft ständig an!". Anouk stellt das Telefon auf den Tisch, nimmt den Hörer ab und sagt "hoi Maja tschau-au Maja". Sie legt den Hörer zurück auf die Gabel, erklärt "hätte Maja glütet" (hat die Maja geläutet) und macht sich auf den Weg, das Telefon wieder zurückzustellen . Ich frage nach "hat sie schon wieder angerufen?"
Ich halte ein Stück Knete für Roberta in der Hand. Sie nimmt es und sagt "das is mis" (das ist meins). Wir beginnen beide, die Knete zu rollen, und ich kommentiere "so ja -genau". Während des Rollens beobachtet Roberta genau, wie ich die Tätigkeit ausführe, und sagt dann "weis, du mus so mit de Hand hett's doch es Löchli det?" (weisst, du musst so mit der Hand hat es doch ein Löchlein dort). Ich bestätige "dort in dem Löchlein drin, ja genau ja...".Die Handlung des Rollens verlangt als solche nicht mehr die ganze Konzentration, d.h. es bleibt genügend "Platz", um genau zu beobachten, wie ich die Handlung ausführe. Aehnlich wie in der ersten Szene wechselt Roberta die Perspektive und erklärt mir, dass ich die Knete halten im "Löchlein", d.h. in der Handmulde halten soll: damit thematisiert sie das Rollen als eine "es liegt in meiner Hand-Tätigkeit", und gleichzeitig wird diese Tätigkeit auch sozialisiert.
Wir spielen Schule, und ich habe Lynn gefragt, ob sie mir helfen könne, bei einem von mir gemalten Auto die Räder zu ergänzen. Sie hält den Filzstift im Erwachsenengriff in der rechten Hand und malt das erste Rad mit zirkulären Kritzeleien aus. Dann sagt sie "so is guet" (so ist gut), wendet sich dem hinteren Rad zu, kommentiert "und hine au" (und hinten auch) und malt auch dieses Rad. Ich frage "und die Strasse?"; Lynn lehnt sich etwas zurück, wiederholt "d' Strass?" und ergänzt "hani so gmacht" (habe ich schon gemacht), wobei sie mich direkt anschaut. Ich wiederhole "hast du schon gemacht"; sie nickt, und während ich die Zeichnung wieder zu mir nehme, frage ich "meinst du, dass ich das so abgeben kann, der Lehrerin?"; sie antwortet "ja". Wir widmen uns beide unseren Zeichnungen, und ich murmle etwas unverständliches; Lynn macht einen Strich, schaut kurz auf und erinnert mich an unser Thema "Ufgabe, gäll" (Aufgaben, gell). Dann rückt sie sich demonstrativ zurecht, stützt den Kopf auf den Ellbogen und konzentriert sich auf ihr Blatt Papier.Interessant ist hier, wie Lynn auf meine Frage nach der Strasse reagiert. Sicher hat sie die Vorstellung einer Strasse, scheint jedoch wie Remo nicht genau zu wissen, wie diese realisiert werden könnte. Während Remo sagt, das Auto fahre ohne Strasse, löst Lynn das Problem, indem sie behauptet, sie hätte die Strasse schon gemacht. Natürlich weiss sie, dass dies nicht stimmt; im Rahmen unseres Spiels ist es aber durchaus legitim, dass sie sich das vorstellt, d.h. tut als ob es so wäre. In beiden Szenen zeigt sich damit sehr eindrücklich die Bedeutung der Sprache für die spielerische Lösung von Konfliktsituationen.
Remo zieht das mechanische Spielzeug auf, und ich frage, auf die Spielszene bezogen "der Pingu muss wieder heim?". Er antwortet "ja" und erklärt "de musme ebe hebe bim ufzieh" (den muss man eben halten beim Aufziehen). Als er das Spielzeug fertig aufgezogen hat, stellt er es in die Nähe der Schienen und erklärt "ich ha ebe 's Müsli" (ich habe eben ein Mäuschen). Dann lässt er den Pingu laufen, und ich kommentiere "so aber siehst du, der geht zum Zug und sagt 'ich will einsteigen'". Remo dreht den Pingu vom Zug weg und sagt "nei". Ich frage "nicht?", und er wiederholt "nei".Interessant scheint mir bei all diesen Szenen zum praktisch-gnostischen Bereich (Brio-Bahn, Formbox, mechanisches Spielzeug), wie durch die Sprache die Dezentrierung erkennbar wird: im Zentrum steht nicht mehr die Handlung als solche, sondern das Darüber-Sprechen, d.h. wie die Handlung ausgeführt werden soll, wie die Dinge funktionieren und welche Eigenschaften sie haben.