Sprachliche Entwicklung

Lautbildung korrekt (ohne S/SCH/R) [ab 36-42 Monaten]

Zwischen drei und vier Jahren können die meisten Kinder alle Laute ausser S, SCH und R korrekt bilden. In Abhängigkeit von der Komplexität der Aeusserung treten jedoch noch Elisionen und Substitutionen auf. Bei der Bildung der Laute S, SCH und R gibt es recht grosse Unterschiede zwischen den Kindern, d.h. die einen erwerben schon früh den Rund erst sehr spät den SCHLaut, bei anderen ist es genau umgekehrt. Da bis zum siebten Lebensjahr immerhin noch 30% aller Kinder einen dieser Laute nicht korrekt bilden können, muss dies als "normal" betrachtet werden.



Remo 29 Mte

Remo ist daran, Wasser von einer Flasche in ein Gefäss zu leeren. Ich sage "du weisst du was, jetzt hat der Niili fertig gegessen, und jetzt hat er gesagt, er sollte noch ein bisschen Aufgaben machen, er sollte noch malen. Wollen wir ihm wohl ein wenig helfen dabei?". Remo hört zu, stellt dann die Flasche auf den Tisch, legt ein Stück Knete in den Teller und antwortet "de hätt no Hunger". Ich wiederhole fragend "hat er noch Hunger?"und füge hinzu "nein, er hat gesagt, er wolle nichts mehr essen". Remo hat das Messer genommen und während er versucht, die Knete zu zerschneiden, widerspricht er, ohne mich anzuschauen "er hätt gseit, er wötti no ässe".
Remo hat meinem Vorschlag, dem Nilpferd beim Malen zu helfen, konzentriert zugehört. Er hat genau verstanden, dass er das Spiel des Fütterns abbrechen und malen soll. Interessant ist nun, dass er nicht sagt, dass er keine Lust zum Malen haben, sondern auf der gleichen "symbolischen" Ebene antwortet, nämlich dass das Nilpferd noch Hunger habe und essen wolle. Damit ist er formal und inhaltlich fähig, meine sprachlichen Äusserungen zu verstehen und sich in seinen Antworten darauf zu beziehen, also ein Gespräch führen.



Leonie 33 Mte

Mit der tiefen Stimme des Nilpferdes frage ich "du, und jetzt von diesen Kartoffeln, kann ich noch ein wenig haben?". Leonie schaut abwechselnd mich und das Tier an und antwortet sofort "nei, ich mues na die bache, dänn chasch scho ässe" (nein, ich muss diese noch backen, dann kannst du schon essen). Deutlich wird hier die enge Verbindung des Symbolspiels zum Sprachverständnis, d.h. Leonie kann meine Frage nach den Kartoffeln unter anderem deshalb verstehen, weil sie dem Resultat ihres Knetens wirklich die Bedeutung "Kartoffeln" gegeben hat. Schliesslich zeigt ihre Antwort auch, dass sie einen symbolischen Handlungsablauf planen und gleichzeitig ihre Vorstellungen auch sprachlich ausdrücken kann.



Roberta 37 Mte

Ich halte ein Stück Knete für Roberta in der Hand. Sie nimmt es und sagt "das is mis" (das ist meins). Wir beginnen beide, die Knete zu rollen, und ich kommentiere "so ja -genau". Während des Rollens beobachtet Roberta genau, wie ich die Tätigkeit ausführe, und sagt dann "weis, du mus so mit de Hand hett's doch es Löchli det?" (weisst, du musst so mit der Hand hat es doch ein Löchlein dort). Ich bestätige "dort in dem Löchlein drin, ja genau ja...".Die Handlung des Rollens verlangt als solche nicht mehr die ganze Konzentration, d.h. es bleibt genügend "Platz", um genau zu beobachten, wie ich die Handlung ausführe. Aehnlich wie in der ersten Szene wechselt Roberta die Perspektive und erklärt mir, dass ich die Knete halten im "Löchlein", d.h. in der Handmulde halten soll: damit thematisiert sie das Rollen als eine "es liegt in meiner Hand-Tätigkeit", und gleichzeitig wird diese Tätigkeit auch sozialisiert.



Remo 38 Mte

Remo betrachtet sich in einem aufklappbaren Handspiegel, und ich frage "wer ist denn dort drin?" Er schaut weiter und beginnt zu lächeln. Ich frage "ist das ein hübscher Bub, dort?", und Remo antwortet verschmitzt "en Leu dine" (ein Löwe drin). Ich bestätige lachend "ja"; er schliesst den Spiegel, macht die Geste des Schlüssel-Umdrehens und kommentiert "müemme snäll iibslüsse" (müssen wir schnell einschliessen). Ich wiederhole "schnell einschliessen" und füge hinzu "ja, das ist besser, du". Remo schaut mich an und antwortet "nei, chunt nöd use" (nein, kommt nicht raus). Ich frage nach "kommt der nicht raus?", und er erklärt "er is no - er cha ja nöd, will er dänk da im Spiegel is" (er ist noch - er kann ja nicht, weil er denk da im Spiegel ist). Ich sage "aha!", während Remo sich weiter betrachtet und mit dem Mund eine Grimasse schneidet.
Remo wird fast ein bisschen verlegen, als ich ihn darauf anspreche, wie er sich im Spiegel betrachtet. Um die Situation zu überbrücken, denkt er sich eine kleine Geschichte aus, welche er auch sogleich szenisch gestaltet. Interessant ist auch, wie er fast spielerisch mit den Elementen von Phantasie und Realität umgeht: zuerst schliesst er den Löwen symbolisch ein und dann erklärt er mir, dass dieser nicht raus kann, weil er ja im Spiegel ist - also kein richtiger Löwe, sondern ein Löwe im Spiegel, der wiederum kein Löwe, sondern er selbst ist.