Seinen Namen hört das Kind zwar vom ersten Tag an: er wird geflüstert, gerufen, gesungen, liebevoll und manchmal auch fordernd ausgesprochen. In vielen Spielen versucht die Bezugsperson darauf hinzuweisen, dass dieser Name zu ihm gehört; sie fragt immer wieder "wo ist Luca?" und antwortet gleich selbst, indem sie auf ihn zeigt, ihn in die Arme nimmt und drückt. Dennoch weist das Kind auf viele andere Personen und Dinge hin und kann viele andere Wörter sagen, bevor es auf sich selbst zeigt und seinen Namen ausspricht. Dies ist insofern verständlich, als es die anderen Personen und Dinge ja auch sieht, während es von sich selbst nur Teile wie Arme, Beine oder den Bauch sehen kann. Gerade diese sind aber nicht "Luca", sondern eben "Bauch". Erst wenn es sich als eigenständige Person erlebt, wird es von Bedeutung, dass diese einen Namen hat. Die meisten Kinder nennen sich deshalb dann erstmals beim Namen, wenn sie sich im Spiegel erkennen und betrachten, also im Alter von 18-24 Monaten.Wenn es dem Anderen etwas mitteilt, wird es in diesem Alter seinen Namen noch nicht spontan äussern; erst wenn es im Laufe des dritten Lebenjahres von Bedeutung wird, was andere tun, ist es auch wichtig zu sagen, wer etwas tut. Das heisst, das Kind sagt erst dann "Luca essen", wenn es sich auch dafür interessiert, ob noch jemand anders isst.
Gleich nachdem sie das Nilpferd gebürstet hat, reiche ich Roberta den Handspiegel und sage "schau, jetzt können wir noch gucken". Sie nimmt den Spiegel und schaut hinein. Ich frage "oh,wer ist denn da?". Mit leiser, leicht veränderter Stimme sagt sie "Betta" (Roberta). Ich wiederhole fragend "die Roberta?". Nun löst sie den Blick vom Bild und hält den Spiegel dem Nilpferd hin.In dieser Szene kann man gut erkennen, dass Roberta beim Betrachten ihres Spiegelbildes zwar nicht mehr beschämt wegschaut, aber doch noch beeindruckt, etwas irritiert und gleichzeitig voller Respekt ist. Dennoch kann sie die Handlung sofort weiterführen, indem sie den Spiegel dem Nilpferd reicht.Auf der phonetisch-phonologischen Ebene ist eine Silbenreduktion zu beobachten, d.h. die unbetonte Silbe "ro" des Wortes "Roberta" wird weggelassen.
Roberta bürstet das Nilpferd. Als sie fertig ist, reiche ich ihr den Spiegel und sage "so, und jetzt können wir noch schauen, ob er schön ist." Sie nimmt den Spiegel und hält ihn dem Nilpferd hin, schaut aber gleichzeitig selbst hinein. Ich frage "oh, wer ist denn dort? -he, wer ist denn dort im Spiegel?". Sie führt den Spiegel näher zu ihrem eigenen Gesicht und antwortet schliesslich leise "Ebetta" (Roberta).Hier kann man gut die verschiedenen Ebenen der Dezentrierung beobachten; Roberta kann sich bereits gut vorstellen, dass auch das Nilpferd in den Spiegel schauen und sich betrachten will. Sie kann sich aber noch nicht in die Position oder Blickrichtung des Anderen versetzen, so dass sie die spiegelnde Fläche noch zum eigenen Gesicht hält. Durch die Konzentration, mit der sie ihr Spiegelbild betrachtet, wird schliesslich deutlich, dass sie sich erkennt.
Lynn nimmt einen Malstift und reicht ihn dem Nilpferd. Ich bedanke mich "oh, danke vielmal" und lege ihn dem Tier in die Hand. Sie schaut zu meinem Papier hinüber und nimmt den Deckel ihres Stiftes ab. Ich sage "ich mache noch einen Strich" und ergänze meine (Niili's) Zeichnung. Lynn wiederholt sofort "Lynn au Tich" (Lynn auch Strich). Ich kommentiere meine Handlung mit "so"; Lynn nimmt den Stift in die rechte Hand und malt eine Linie. Sie sagt auch "so", löst den Stift dann aber nicht vom Papier, sondern führt ihn mit weitem Bogen zum Anfang der Linie zurück, so dass eine geschlossene Form entsteht. Sie hälte einen kleinen Moment inne und ergänzt die Zeichnung, indem sie einen kleinen Kreis in die grosse Form malt.Die Art des (nicht) Strich-Malens ist ganz typisch für dieses Entwicklungsalter: von der Ausführung her ist der Strich eine einfache Form, so dass er gut kopiert werden kann. Von der Erfassung her ist er jedoch komplexer als eine geschlossene Figur, weil es sich um eine offene Form handelt. Obwohl es ganz klar ihre Absicht ist, auch einen Strich zu malen, kann Lynn den Stift nicht anhalten, sondern "muss" die Figur schliessen.
Anouk wollte das Nilpferd füttern, doch dessen Mund blieb geschlossen. Nun legt sie die Knete auf den Teller, und ich sage "will er es doch nicht essen". Sie hält den Teller in die Nähe seines Mauls und macht selbst eine kleine Ess-Bewegung mit dem Mund. Dann zieht sie den Teller zurück, schaut mich an und sagt "nöd gän?" (nicht gerne?). Ich bestätige "nein, hat er nicht gerne, ist nicht gut". Sie wischt sich mit dem Arm über die Nase und fragt dann "Anouk esse?", wobei sie mich erwartungsvoll anschaut. Ich sage "ja hat es wohl die Anouk gerne?". Sie langt nach dem Knetestück und erklärt dann "nöd gän" (nicht gerne); ich bestätige "hat sie es auch nicht gerne", und sie schüttelt den Kopf "e-e".In vielen Szenen von Anouk wird deutlich, dass sie sich sehr dafür interessiert, was gut und böse ist, was man darf und was nicht. Speziell ist, dass sie sich mit diesen Themen sprachlich auseinandersetzt wie in der Bilderbuch-Szene könnte man auch hier sagen, dass sie mich in ein Gespräch verwickelt: Denn als sie fragt "Anouk esse?", scheint sie in keiner Weise daran zu denken, die Knete selbst zu essen, sondern sie will sozusagen meine Meinung zu diesem Thema hören.
Ich habe Leonie gesagt, das Nilpferd wolle sich noch im Spiegel betrachten. Sie nimmt diesen und schaut zuerst selbst hinein. Ich frage "wer ist denn dort drin?", und sie antwortet lächelnd "d'Leonie". Dann hält sie den Spiegel dem Nilpferd vor das Gesicht, begibt sich in dieselbe Position wie das Tier und schaut "mit ihm" zum Spiegel. Ich sage anstelle des Tieres "oh, ich bin dann schön! Ich gefalle mir". Leonie schaut das Nilpferd an und legt den Spiegel direkt auf seine Augen. Ich sage "oh, jetzt sehe ich grad nichts mehr", worauf sie mir sehr ernst entgegnet "abe de chan Spiegel luege" (aber der kann in den Spiegel schauen). Hier kann man gut einen weiteren Schritt in der Entwicklung der Dezentrierung beobachten. Leonie kann sich nicht nur vorstellen, dass das Tier in den Spiegel schauen möchte, sondern sie kann auch seine Position einnehmen, d.h. ihm diesen korrekt hinhalten. Sie geht sogar noch weiter, lässt es ganz selbständig gucken und wehrt sich für diese (vorgestellte) Fähigkeit des Tieres.