Gelingt es dem Kind nicht, die Ziele zu erreichen, realisiert es seine Schwierigkeiten, und es ärgert sich. Natürlich stösst das Kind schon während der ersten zwei Lebensjahre auf Hindernisse bei der Ausführung einer Handlung; im Unterschied zu dieser neuen Entwicklungsphase liegen diese jedoch ausserhalb von ihm selbst, d.h. in den anderen Personen oder in den Dingen. Erst wenn das Kind seine Ziele selbst bestimmt, erfährt es mögliche Probleme auch als seine eigenen. Dadurch lernt es im Laufe des dritten Lebensjahres, seine Fähigkeiten einzuschätzen und kann deshalb Schwierigkeiten, welche auftauchen könnten, schon bald antizipieren. Ab diesem Zeitpunkt stehen viele Kinder bestimmten Tätigkeiten skeptisch gegenüber und sind oft nicht mehr bereit, alle vom Erwachsenen geforderten Aufgaben auszuführen.
Nadine hält eine runde Form in der rechten Hand und führt diese lächelnd in die entsprechende Oeffnung ein. Ich sage "oih, schon drin!". Sie nimmt je einen Würfel in die rechte und linke Hand und versucht zuerst, denjenigen in der rechten einzuführen. Ich zeige ihr die passende Oeffnung und sage "den musst du da.."; doch nun versucht sie es mit dem Würfel in der linken Hand, welcher nicht passt. Ich lächle, sage "nein, den da.." und zeige ihr die Oeffnung. Als es nicht gelingt, drehe ich den Würfel selbst und erkläre "fest drehen"; als er reinpasst, rufe ich "hoppela!". Jetzt versucht es Nadine noch mit dem Würfel, den sie in der rechten Hand hält; ich helfe ihr und rufe "den da.. hoppela!". Sofort lege ich ihr eine runde Form in die Nähe, doch sie sagt "nei", nimmt die Hände zurück und schüttelt den Kopf. Ich frage "nicht mehr?", und sie bestätigt "e-e".In dieser Szene kann man gut erkennen, dass Nadine sich eine Aufgabe gestellt hat, auf das Resultat achtet und deshalb ihre Schwierigkeiten auch realisiert. Gleichzeitig ist sie aber auch fähig, die Handlung spontan zu beenden, indem sie diese mit "nein" zurückzuweist.
Ich zeige auf die Stelle der Zeichnung eines Autos, wo das Rad fehlt und sage "machen wir das noch rasch". Remo schaut kurz hin, stochert mit dem Messer in der Knete und legt den Trichter auf den Tisch. Ich insistiere "nur schnell" und halte ihm den Malstift hin. Remo tut, als ob er nichts gehört hätte, schaut auf dem Tisch umher und fragt "wo is' Flässli?" (wo ist das Fläschchen?). Ich sage "ja, ich geb's dir nachher gleich" und versuche es nochmals "du, Remo...". Er seufzt und sagt endlich "i wott nümme sriibe" (ich will nicht mehr schreiben). Ich bestätige "du willst nicht malen". Remo sagt seufzend "nei", und nun stimme ich ihm zu "nein, du hast es ja schon gesagt, du hast recht" und schiebe die Zeichnung weg.
Während Remo mit grossem Interesse alle Tätigkeiten ausführt, meidet er das Malen in konsequenter Weise (vgl. auch die Szene 29.03). Remo kann seine Fähigkeiten bereits genau einschätzen, und das Malen genügt in keiner Weise seinen Ansprüchen. Er antizipiert diese Schwierigkeiten und vermeidet deshalb die entsprechende Tätigkeit.
Ich habe Leonie gesagt, sie könne mit der Schere ein Stück Klebstreifen abschneiden. Offensichtlich hat sie mich nicht ganz verstanden, denn sie nimmt die Schere und versucht, das Papier entzweizuschneiden, worauf sie mich mit ungläubiger Miene anschaut und fragt "das da abschniide?". Ich bestätige undeutlich "ja, oder den Klebstreifen da". Sie versucht dennoch, das Papier zu schneiden, legt die Schere dann aber hin und sagt "das chan ich nöd" (das kann ich nicht). Ich halte ihr den Klebstreifen hin und entgegne "doch, da schau, das kannst du schneiden, einen Kleber abschneiden". Sofort nimmt sie die Schere wieder auf, bestätigt lächelnd "ja, Chläbi", schneidet das Klebband durch und sagt dann voller Zufriedenheit "das mach ich!".Bei dieser Szene kann man gut beobachten, wie genau Leonie ihre Fähigkeiten einschätzen und dies auch sprachlich ausdrükken kann.
Lynn hält den Hörer am Ohr und drückt auf die verschiedenen Knöpfe des Telefons. Ich sage "hallo, ist da der Piri?" (der Name ihres Vaters). Sie antwortet "hoi" und ich sage "hoi, du wann kommst du heute nach Hause?". Lynn schaut vor sich hin, kratzt sich an der Nase und fragt etwas verlegen "jetzt?". Ich ergänze "kommst du zum Nachtessen?", und sie antwortet unsicher "ja". Ich sage "ah ja, ah ist gut musst du noch viel schaffen?". Wieder kratzt sie sich an der Nase, wiederholt leise "vill saffe nei" und schaut mich ungläubig lächelnd an.Ich interpretiere diese Szene so, dass ich Lynn verunsichert habe, als ich sie mit dem Namen ihres Vaters angesprochen habe. Beim Schule-Spielen zeigt sie deutlich, dass sie ganze Szenen gemäss einer inneren Vorstellung spielen kann. Dabei werden jedoch nicht eigentliche "Rollen" verteilt, gemäss denen dann gespielt werden soll. Aufgrund der Beobachtung in dieser Szene gehe ich davon aus, dass sie zwar eine Ahnung von der Spielidee hat, die Rolle einer anderen Person aber noch nicht übernehmen kann. Gut beobachten lässt sich in dieser Szene auch, wie eng das Sprachverständnis mit der Vorstellung verknüpft ist. In der realen Telefon-Situation kann sie die gleichen Sätze sicher verstehen und darauf antworten; hier kann sie zu denselben Wörtern keine passende Vorstellung aufbauen. Als Lösung repetiert sie meine Aeusserungen und versucht auf diese Weise, ihrer "habhaft" zu werden.