Während des ersten Lebensjahres ist das Kind in der Kommunikation wie im Spiel so stark beteiligt, dass es die Personenund Gegenstandswelt noch nicht verbinden kann. Anders gesagt zeigt es während der direkten Interaktion kein Interesse für die Gegenstände und umgekehrt kann es während der Manipulation der Dinge die Personen nicht einbeziehen. Im Alter zwischen 9-12 Monaten kennt es die Menschen und die Dinge so gut, dass eine erste Verbindung möglich wird: bspw. lässt es den Gegenstand fallen und schaut dann die Person an, als ob es fragen wollte, ob sie dies auch gesehen oder gehört hat. Damit stellt es über den Blick erstmals die Dreicks-Verbindung (Triangulierung) Ich-Du-Gegenstand her, d.h. es schaut zum Du und bezieht mit diesem Blick den Gegenstand mit ein. Diese Art des Blickaustausches kann als triangulärer oder referentieller Blickkontakt bezeichnet werden.
Selina nimmt die Bürste zuerst kurz in den Mund, schaut mich an und gibt sie dann dem Nilpferd. Sie schaut zu, wie ich das Kauen imitiere und wendet sich dann einem neuen Gegenstand zu. Ich sage "nomeh!", wiederhole zweimal, dann schaut sie mich wieder an und reicht schliesslich dem Nilpferd den Becher, den sie in der Hand hält.Bei dieser Szene steht ein interaktionales Spiel (geben) im Vordergrund und noch weniger ein funktionales Spiel (zu essen geben). Sehr gut ist hier auch der referentielle Blickkontakt zu beobachten, mit dem Selina immer wieder meine Aktionen und Reaktionen kontrolliert. Durch den Blickkontakt und die allgemeine Situation kann sie auch meine sprachliche Aufforderung "nomeh" verstehen.
Ich öffne den Deckel eines Gefässes, sage "oih" und lege ein Stück Knete hinein. Charlotte nimmt dies sofort auf, legt es erst auf den Deckel und lässt es zu Boden fallen. Dann greift sie in das Gefäss, zieht es in ihre Nähe, nimmt den Deckel und versucht ihn aufzulegen. Ich sage "oh- zu!", worauf sie mich kurz anschaut und es nochmals versucht; ich wiederhole "zu!".
Caroline nimmt den Deckel eines Gefässes weg, welches voller Knete ist. Lächelnd schaut sie zuerst zu mir und wendet sich dann der Mutter zu. Ich sage "aih! -offen! -hast du aufgemacht?"Dies ist eine der typischsten Szenen für das Entwicklungsalter zwischen 12-18 Monaten: das Abheben eines Deckels bekommt durch die Anwesenheit des Anderen eine ganz besondere Bedeutung; es heisst in etwa 'ich hebe diesen Deckel ab, ich ent-decke, und du wirst dich an dem freuen, was unter dem Deckel ist '. Interessant ist also noch nicht der Inhalt unter dem Deckel des Gefässes, sondern das Gesicht, welches der Andere dazu macht.
Ich zeige Anouk, wie ich die Puppe bürste und reiche ihr dann die Bürste. Sie nimmt sie mit der linken Hand, wechselt in die rechte und macht zwei kurze Bürstenstriche bei der Puppe. Ich kommentiere "oh, schön!". Nun gibt sie mir die Bürste zurück und schaut mich an. Ich frage "ich noch ein wenig?", bürste meine Haare und reiche ihr die Bürste wieder. Mit einer heftigen Bewegung nimmt sie diese wieder an sich und führt sie zur Puppe, wobei sie mich immer noch anschaut.Das Spezielle fast aller Szenen von Anouk liegt darin, dass sie die Dinge erobert, Anspruch erhebt und ganz von ihnen Besitz ergreift. Zusammen mit der Art, wie sie mit ihnen handelt, ist es wie eine Behauptung: dies Ding ist für mich und dies ist die Handlung für das Ding. Gleichzeitig ist das Geben nun tatsächlich ein Geben, nämlich eine Aufforderung, etwas mit dem Ding zu machen.
Nadine nimmt den Löffel im Faustgriff in die rechte Hand, führt ihn in die Pfanne und dann zum Mund der Puppe. Dann öffnet sie den Deckel einer anderen Pfanne und gibt nochmals der Puppe zu essen. Sie schliesst die Pfanne wieder mit dem Deckel, lacht dazu und schaut mich an.Dieses Spiel ist noch funktionaler und nicht symbolischer Art ist, weil die eigene Handlung des zu Essen Gebens im Vordergrund steht und nichts darauf hinweist, dass Nadine sich die Puppe als Essende vorstellt.
Caroline guckt in die Pfanne, streckt die Hand hinein und schaut zu mir auf. Sie nimmt ein Stück Knete hinaus und tut es in ein anderes Gefäss. Ich halte einen Hund zum Gefäss und mache "mamamam". Sie äussert "eh" und nimmt ein weiteres Stück Knete aus der Pfanne. Dann hält sie die andere Hand schützend über das Gefäss und schaut mich herausfordernd an. Nun verstehe ich und frage "darf er keine mehr haben? eh? keine mehr haben". Als sie sieht, dass ich verstanden habe, zieht sie die Hand zurück und tut mit der anderen die Knete ins Gefäss. Dann nimmt sie ein weiteres Stück vom Tisch. Dabei sieht sie den Deckel, schaut kurz zu mir und versucht ihn dann auf die Pfanne zu legen. Als ihr dies gelingt, nimmt sie beide Hände zum Körper und lacht mich strahlend an. Ich lache auch und bestätige "zu hast du zugemacht?". Interessant ist in dieser Szene, wie Caroline meine Handlungen mit dem Hund aktiv zurückweist. Die Geste mit der Hand hat die gleiche Bedeutung wie das Kopfschütteln, d.h. beide zeigen, dass das Kind mit dem Tun des Anderen nicht einverstanden ist.
Während Luca mit Pfanne und Knetmasse "kocht", kommentiere ich zuerst sein Tun "che buono" (wie fein) und stelle gleich anschliessend eine nicht-situationale Aufforderung "senti, mi dai un po' il biberon?" (hör mal, gibst du mir den Schoppen?). Luca schaut fragend, und ich wiederhole "hai visto il biberon?" (hast du den Schoppen gesehen?). Luca schaut immer noch fragend, und ich zeige ihm den Schoppen, worauf sich sein Gesicht erhellt und er mich anlächelt.
Interessant ist in dieser Szene, wie Luca auf das Nicht-Verstehen reagiert. Er geht nicht einfach über meine Aufforderung hinweg, sondern er scheint zu wissen, dass er nicht verstanden hat und ist offensichtlich erleichtert, als sich das "Rätsel" durch meinen Hinweis auf den Schoppen gelöst hat.
Ich habe diese Szene unter dem Item "alltägliche Gegenstände geben" eingeordnet, weil das "verstehen, dass ich nicht verstehe" eine wichtige Vorstufe für die Entwicklung des Sprachverständnisses darstellt.
Ich habe Nadine gesagt, die Puppe hätte noch Durst. Sie schaut mich kurz an, öffnet dann die Flasche und hält sie der Puppe hin. Ich sage "danke" und sie nickt leicht. Dann schliesst sie die Flasche wieder, sagt "tue" (zu) und schaut mich an.Es handelt sich hier um eine kleine Handlungssequenz mit Anfang und Ende. Deutlich ist, dass Nadine das Resultat ihres Tuns beachtet sowohl nach dem Füttern wie am Schluss, als die Flasche wieder geschlossen ist. Noch steht aber sie selbst als Handelnde im Vordergrund, d.h. es scheint sie noch nicht zu interessieren, ob die Puppe jetzt trinkt oder getrunken hat. Die Handlung kann damit noch nicht als symbolisch bezeichnet werden.
Luca versucht den Deckel einer Pfanne zu öffnen. Als es ihm gelingt, sagt er "uih" und schaut lächelnd zu mir, ob ich das Ereignis auch gesehen hätte. Ich lächle auch und bestätige "oih!". Er legt den Deckel auf den Tisch und ich zeige ihm, dass dieser auch auf eine andere Pfanne passt "guarda, puoi anche mettere qua sopra oih!" (schau, du kannst ihn auch hier drauf legen). Sofort nimmt er den Deckel und legt ihn bestimmt auf die erste Pfanne wo er seiner Ansicht nach hingehört.
Roberta legt dem Nilpferd eine Knetwurst hin und ruft "mmmh!". Ich nehme diese mit dem Maul des Tieres auf und mache ebenfalls "mmamam". Roberta lacht, schaut kurz zu mir und bemerkt dann die Flasche, welche sie noch in der Hand hält. Sie sagt "ting" (trinken) und beginnt, den Inhalt in einen Becher zu giessen. Die Handlung des Fütterns kann insofern als symbolisch bezeichnet werden, als nicht die Handlung selbst im Vordergrund steht, sondern das, was dann passiert, nämlich, dass das Tier isst. Dies sieht man auch daran, dass sie mit dem "mmmh" das Essen des Tieres vorwegnimmt. Schliesslich kann sie auch spontan eine neue Handlung (zu trinken geben) anfügen und das, was geschehen soll, mit dem Wort "ting" bereits antizipieren.
Roberta hält den Malstift im Faustgriff in der rechten Hand und malt einen kleinen Strich auf das Papier. Dann berührt sie die Spitze des Stiftes mit der Hand, sagt "da?" und ich bestätige "mh, dort tut es schreiben". Sie schaut mich mit einem verschmitzten Lächeln an, und ich frage "sind die Hände ein wenig orange?". Entschlossen legt sie den Deckel des Stiftes auf den Tisch und äussert die Absicht "meh Hand". Sie wechselt den Stift und malt nun mit der linken Hand einen Strich auf die rechte. Nun schaut sie mit demselben verschmitzten Lächeln zuerst mich und dann die Mutter an.Diese Szene zeigt, wie die Konzentration auf das Handlungsresultat ganz neue Entdekkungen ermöglicht. Gleichzeitig wird deutlich, dass Roberta bereits einen Standard entwickelt hat. Die Art ihres Lächelns weist darauf hin, dass sie weiss, dass bemalte Hände etwas besonderes sind.
Ich habe einen Vogel und ein Auto gemalt und ergänze die Zeichnung nun mit einer Mensch-Figur. Marina schaut zu, zeigt und fragt "was ist da?". Ich schiebe ihr die Zeichnung hin und erkläre "das ist Marina". Sie fordert mich auf "nameh" (noch mehr); ich male der Figur einen Arm und kommentiere "da tut sie winken und (ruf-) sagt 'tschüss, ich gehe nach Winterthur'". Um die Worte zu untermalen winke ich kurz und fahre fort "tschüss zäme und das Vögeli sagt 'ich komme auch mit'". Marina lächelt, schaut kurz zu mir auf, weist dann wieder auf die Zeichnung hin und verlangt "nameh zeichne". Ich frage "noch mehr? ja, wer kommt dann wohl noch mit?". Fragend schaut sie zu mir.Diese Szene zeigt sehr schön, wie interessiert Marina dem Entstehen einer Zeichnung zuschaut und den entsprechenden sprachlichen Kommentaren zuhört. Ihre Haltung, der Blick wie auch ihre Wörter weisen darauf hin, dass sie aufgrund der Bilder und der sprachlichen Aeusserungen erste Vorstellungen aufbauen kann.Interessant ist auch, wie sie am Schluss ihre Forderung "noch mehr" ergänzt mit "zeichne", um ganz genau auszudrücken, was sie will.
Leonie rollt ein Stück Knetmasse zu einer Wurst, wobei sie immer wieder schaut, was ich tue und wie ich reagiere. Ich reiche ihr ein Messer und sage "schau, jetzt kannst du es noch entzweischneiden, wenn es zu lange ist". Sie nimmt das Messer in die rechte Hand und schneidet lächelnd kleine Stücke der Wurst ab. Ich bestätige "genau".