Luca

Luca 16 Mte

Luca manipuliert die Wählscheibe des Telefons, und ich frage "chiamiamo papa?" (wollen wir Papa anrufen?). Luca schaut kurz zu seiner Mutter (welche filmt) und dann zurück zu mir. Ich drücke auf den Klingelknopf und sage "drrr"; er ahmt dies sofort nach, und ich wiederhole "drrr". Dann nehme ich den Hörer ab und sage mit tiefer Stimme "si, qui c'è papà - c'è Luca --- c'è Luca?" (ja, da ist Papa - ist Luca da?). Luca schaut mich verständnislos an; er steckt den Finger in das Loch der Wählscheibe und wendet sich dann ab. Ich weise auf das Telefon hin und flüstere "qui c'è papà", und Luca schaut nochmals hin. Ich interpretiere den Anfang dieser Szene so, dass Luca von meiner Äusserung nur das Wort Papa verstanden hat, und deshalb fragend zu seiner Mutter schaut. Auch später kann er weder die Wörter noch die (symbolische) Bedeutung der tiefen Stimme erfassen; er scheint eher verunsichert und wendet sich deshalb ab.



Luca 16 Mte

Während des Spiels mit Pfannen und Knetmasse schaut Luca von sich aus zu seiner Mutter (welche hinter der Kamera sitzt und filmt), lächelt, schaut zu kurz zu mir und ruft dann "Mama!". Ich bestätige "c'è mama?" (ist Mama da?). Wir lächeln uns an, und ich erkläre "sta facendo il film - eh" (sie macht den Film). Luca wendet sich wieder seinem Spiel zu. Er nimmt ein Stück Knetmasse, legt es in die Pfanne und versucht, den Deckel zu schliessen.



Luca 16 Mte

Luca spiesst mit der Gabel ein Stück Knetmasse auf und will es dem Nilpferd zum essen geben. Ich halte dessen Mund geschlossen, schüttle seinen Kopf und sage "basta, non voglio più - non voglio più" (schluss, ich will nicht mehr - ich will nicht mehr). Luca ist etwas irritiert und nimmt die Knete schliesslich selbst in den Mund. Dabei lacht er und schaut die Mutter an, d.h. er scheint genau zu wissen, dass er die Knete nicht essen soll und kann. Er nimmt sie deshalb sofort heraus und versucht es nochmals mit dem Nilpferd, welches sie jetzt auch entgegennimmt. Diese Sequenz zeigt sehr deutlich die Charakteristik des Funktionsspiels: die Funktion von Gabel und Knete ist die des zu Essen Gebens, d.h. diese Handlung muss auch ausgeführt werden, ansonsten würden die Gegenstände ihren Sinn verlieren. Ist nun der Mund des Nilpferdes verschlossen, muss Luca eine andere Lösung finden - seinen eigenen Mund. Dass die Handlung noch nicht symbolisch ist, sieht man auch daran, dass sie dann abgeschlossen ist, wenn sich die Knete endlich im Mund des Tieres befindet. Er kümmert sich noch nicht darum, dass dieses jetzt ein essendes Tier ist.



Luca 16 Mte

Während Luca mit Pfanne und Knetmasse "kocht", kommentiere ich zuerst sein Tun "che buono" (wie fein) und stelle gleich anschliessend eine nicht-situationale Aufforderung "senti, mi dai un po' il biberon?" (hör mal, gibst du mir den Schoppen?). Luca schaut fragend, und ich wiederhole "hai visto il biberon?" (hast du den Schoppen gesehen?). Luca schaut immer noch fragend, und ich zeige ihm den Schoppen, worauf sich sein Gesicht erhellt und er mich anlächelt.

Interessant ist in dieser Szene, wie Luca auf das Nicht-Verstehen reagiert. Er geht nicht einfach über meine Aufforderung hinweg, sondern er scheint zu wissen, dass er nicht verstanden hat und ist offensichtlich erleichtert, als sich das "Rätsel" durch meinen Hinweis auf den Schoppen gelöst hat.

Ich habe diese Szene unter dem Item "alltägliche Gegenstände geben" eingeordnet, weil das "verstehen, dass ich nicht verstehe" eine wichtige Vorstufe für die Entwicklung des Sprachverständnisses darstellt.



Luca 16 Mte

Luca nimmt die Flasche und kippt sie, indem er sie über ein anderes Gefäss hält. Unbekümmert darüber, dass nichts mehr drin war, stellt er sie wieder hin, nimmt die Schale mit beiden Händen und versucht den Inhalt in eine Pfanne zu kippen, wobei die Knetmasse grösstenteils auf den Tisch rollt. Dies ist eine typische Sequenz des Funktionsspiels, bei dem noch ganz die Freude an der Handlung selbst im Vordergrund steht und das Resultat keine Rolle spielt. Das Spiel bekommt dadurch eine zirkuläre Form, d.h. die Handlungen führen immer wieder zum Ausgangspunkt zurück; es entsteht keine lineare Sequenz mit Anfang und Ende.



Luca 16 Mte

Ich reiche Luca die Bürste; er streckt den Arm danach aus, betrachtet sie kurz und führt dann die Geste des Bürstens auf seinen Haaren aus. Ich kommentiere "oh, che bello, Luca" (oh, wie schön, Luca). Auch diese Sequenz zeigt ein typisches Merkmal des Funktionsspiels: in dieser Entwicklungsphase ruft der Gegenstand gewissermassen nach der Handlung; d.h. die Bürste wird erst dann zu einer Bürste, wenn die Handlung des Bürstens ausgeführt wird.



Luca 16 Mte

Ich reiche Luca den Spiegel, den er nimmt, anschaut, umdreht und weglegt. Ich halt ihn nochmals vor ihn hin und sage "guarda un po' chi c'è, c'è Luca?" (schau mal, wer ist da, ist Luca da?). Luca schaut kurz hinein und wendet sich dann ganz deutlich ab. Wenn man Kindern in früheren Entwicklungsphasen einen Spiegel gibt, schauen sie interessiert auf das, was sie sehen, und tippen vielleicht mit dem Finger auf die Oberfläche. Luca tut dies nicht (mehr), d.h. er scheint den Inhalt schon zu kennen. Vielleicht ahnt er, dass es sich um ihn selbst handelt; er kann in dem Bild aber noch nichts Vertrautes, Bekanntes finden und wendet sich deshalb ab; er weicht aus.



Luca 16 Mte

Ich schraube den Flaschendeckel zu; Luca sieht dies, nimmt die Flasche und hält sie mir hin, indem er mimisch und lautlich ausdrückt, dass ihm das nicht passt. Ich kommentiere "devo aprire ancora?" (soll ich sie wieder öffnen?)und halte ihm die Flasche hin. Er macht eine Drehbewegung und es gelingt ihm, den Deckel zu öffnen. Ich lobe ihn "ah, bravissimo!" (ah, sehr gut). Luca versucht sofort, die Gabel in die Flasche zu stecken.Auch in dieser Sequenz sieht man deutlich, dass sich Luca im Spiel noch ganz auf die Handlung konzentriert. So zeigt er noch keine Freude, dass im das Aufschrauben gelungen ist und reagiert damit auch nicht auf mein Lob.



Luca 16 Mte

Ich gebe Luca den Malstift, den er nimmt, aber gleich wieder weglegt. Ich zeige ihm, wie man den Deckel wegnehmen kann. Er zieht den Deckel ab und ich sage "aih, qua puoi scrivere" (aih, hier kannst du schreiben) und zeige auf das Blatt Papier. Luca nimmt den Malstift im Faustgriff in die rechte Hand und malt einen kleinen Strich.In der Sequenz ist nicht mehr zu sehen, dass er sich gleich wieder seinem Spiel mit den Pfannen zuwendet, ohne den Strich auf dem Papier zu beachten.



Luca 16 Mte

Luca blättert im Bilderbuch; beim Pferd äussert er kurz den Laut "ca?". Ich kommentiere "uh, il cavallo come fa il cavallo?" (uh, das Pferd wie macht das Pferd?) und mache gleichzeitig ein Schnalzgeräusch sowie die Bewegung des Reitens. Dadurch wird die Aufmerksamkeit von Luca wieder zum Buch gelenkt und während er weiterblättert imitiert er das Schnalzen sowie die Bewegung, wobei sich ein Lächeln auf seinem Mund abzeichnet.



Luca 16 Mte

Ich zeige Luca, wie das mechanische Spielzeug der Frosch funktioniert, mache "qua-qua-qua" und lasse es vor ihm ablaufen. Er stoppt es und berührt es nochmals, worauf es wieder einige Schritte macht. Jetzt lächelt er, schaut mich an und berührt den Frosch wieder. Ich kommentiere "qua-qua-qua", und er schaut mich nochmals lächelnd an. Als es sich nicht mehr bewegt, reicht er mir das Spielzeug mit einem Laut "a-i" und ich zeige ihm, wie man es aufzieht "guarda qui" (schau hier).



Luca 16 Mte

Ich habe Luca gezeigt, wie man den Frosch aufzieht und lasse ihn laufen. Sobald er stoppt, nimmt er ihn und versucht ihn aufzuziehen. Er macht eine Drehbewegung mit der rechten Hand, wechselt dann in die linke und versucht es nochmals. Er stellt den Frosch auf den Hintern, so dass er nicht laufen kann. Er versucht es noch ein paar Mal, lässt ihn dann liegen und wendet sich wieder dem Wasser und den Gefässen zu.



Luca 16 Mte

Ich reiche Luca die runden Formen zum Einführen in die Formbox und kommentiere "uno, due, tre, bumma!" (eins, zwei, drei, bumm!). Anfangs führt er die Formen direkt in die runde Oeffnung ein, lächelt zu meinem Kommentar und nimmt auch Blickkontakt auf. Beim dritten Zylinder versucht er es zuerst mit einer falschen Oeffnung, reagiert aber sofort, als ich sage "no, non c'è" (nein, es ist nicht hier) und findet die korrekte Oeffnung.



Luca 19 Mte

Luca versucht den Deckel einer Pfanne zu öffnen. Als es ihm gelingt, sagt er "uih" und schaut lächelnd zu mir, ob ich das Ereignis auch gesehen hätte. Ich lächle auch und bestätige "oih!". Er legt den Deckel auf den Tisch und ich zeige ihm, dass dieser auch auf eine andere Pfanne passt "guarda, puoi anche mettere qua sopra oih!" (schau, du kannst ihn auch hier drauf legen). Sofort nimmt er den Deckel und legt ihn bestimmt auf die erste Pfanne wo er seiner Ansicht nach hingehört.



Luca 19 Mte

Ich halte den Telefonhörer in der Hand. Luca schaut mich lächelnd an, und ich frage "ancora?" (noch einmal?). Dann drücke ich den Klingelknopf und sage "pronto, chi c'?? c'? Luca?" (hallo, wer ist da? ist Luca da?). Luca hat sich kurz abgewendet, schaut jetzt wieder zu mir und sagt andeutungsweise "i" (ja). Ich wiederhole "si?". Er nimmt den Hörer in die Nähe des Ohres und drückt den Klingelknopf, während ich sage "buongiorno Luca, sono Barbara -come va?" (guten Tag Luca, ich bin Barbara -wie geht es?). Er legt den Hörer schräg auf die Gabel zurück und schaut mich an. Ich verabschiede mich "ciao!".Interessant an dieser Szene ist die Beobachtung, dass hier ein Wort nach einer bestimmten Handlung und einer Aeusserung ruft: sobald ich seinen Namen sage, äussert Luca den Laut "i" und greift sofort nach dem Hörer. Das "i" kann man deshalb am ehesten als handlungsbegleitende Aeusserung umschreiben; noch ist es kein Wort, im Sinne von "ja, hier bin ich".



Luca 19 Mte

Luca nimmt den Deckel des Malstiftes weg, hält inne und betrachtet die Oeffnung des Deckels und die Spitze des Stiftes. Ich weise auf das Papier hin. Er behält den Stift im Faustgriff in der linken Hand und beginnt, kleine Striche zu malen. Ich komentiere "hai visto? -che bello" (hast du gesehen? -wie schön). Er fährt fort mit dem Malen fort, und aus den Strichen entstehen nun kleine eckige Kritzeleien. Dabei scheint er ganz fasziniert, als ob er gerade entdecken würde, dass da ja eine Spur auf dem Papier zurückbleibt. Dann bricht er ab, schliesst den Stift mit dem Deckel und legt ihn in den Korb zurück.Gut ist hier der Uebergang vom funktionalen Gebrauch zur Konzentration auf das Handlungsresultat zu beobachten: während des Malens sieht Luca, dass etwas entsteht, doch als die Handlung zu Ende ist, verliert dieses "etwas" sofort seine Bedeutung.



Luca 19 Mte

Luca hält die Schere zuerst in der rechten Hand und richtet die Spitze zum Klebband, das ich ihm hinhalte. Dies entspricht einer funktionalen Geste, denn die Schere kann auf diese Weise nicht manipuliert werden. Spontan nimmt Luca nun die andere Hand zuhilfe und öffnet die Schere. Ich sage "si, cos?" (ja, so)und dann "chiudi -chiudi" (schliesse), während Luca die Schere langsam schliesst. Als sie zu ist, mache ich "ah!", reisse das Band los und halte es Luca hin, der es ganz erstaunt betrachtet.Aufgrund des ersten Teils der Szene kann man davon ausgehen, dass Luca noch nie geschnitten hat. Man kann deshalb annehmen, dass er das Funktionieren der Schere in dem Moment entdeckt, wo er sie zum Klebband hält. Es ist, als ob die Schere als Gegenstand mit zwei Griffen nach der Zuhilfenahme der anderen Hand rufen würde.



Luca 19 Mte

Ich öffne das Bilderbuch und sage "qui chi c'??" (da wer ist das?). Luca sagt "m-m" und schaut mich lächelnd an. Ich bestätige "wu-wu, hai visto" (wu-wu, hast du gesehen). Ich zeige auf das nächste Bild einer Katze, die Milch trinkt und sage "miau". Luca macht ein Schmatzgeräusch; ich bestätige "si" und wiederhole das Schmatzgeräusch. Dann blättert er um, und ich frage "e poi, qua?" (und dann, hier?). Es ist ein Schwein, und Luca macht wieder "m-m". Ich antworte "ch-ch". Er schaut mich an und zeigt dann auf das Bild eines Schafes. Ich sage "e qui? bäh!" (und hier? bäh).Wie fast alle Szenen von Luca zeigt auch diese den Uebergang vom funktionalen zum symbolischen Gebrauch, d.h. hier vom "Blättern" zum "Betrachten" und von der "handlungsbegleitenden Aeusserung" zum "Beschreiben". In jedem Falle bezieht sich das Anschauen darauf, dass dort im Buch Bilder sind. Die Lautmalereien ihrerseits werden durch die Bilder hervorgerufen; gerade durch das Benennen werden diese aber lebendiger, bedeutungsvoller.



Luca 19 Mte

Luca bewegt den Zug auf den Schienen und ich kommentiere "tutuu tsch-tsch-tsch". Er äussert "ta" und zeigt auf eine Schüssel voller Knete, welche er vorher auf den Zug geladen hat. Ich frage "altro?" (mehr?); er nickt zufrieden lächelnd und schaut kurz zur Mutter. Ich reiche ihm die Schüssel und sage "questo ti piace, eh?" (das gefällt dir, nicht?). Ich bemerke, dass er ganz rote Ohren hat und fasse kurz hin. Er schaut mich an und lädt etwas Knete auf den Wagen. Dann äussert er mit hoher Stimme "uh, daa?!" und fasst den Zug an, unterbricht aber die Handlung. Er sagt "ah!" und schaut mich auffordernd an. Nach einem kurzen Moment erinnere ich mich an den Ablauf des vorherigen Spiels und rufe "partenza! tschuf-tschuf" (Abfahrt!). Zufrieden beginnt Luca, den Zug auf den Schienen zu bewegen.Dies ist eine ganz spezielle Szene, da sie eigentlich die Entdeckung der sozialen Kommunikation darstellt. Während Luca noch im Alter von 16 Monaten meist ganz für sich spielte, hat er jetzt die Möglichkeiten des Anderen entdeckt und bezieht mich erstmals aktiv in sein Spiel mit ein.